Mission Clockwork, Band 3: Mission Clockwork, Duell in der Ruinenstadt
erwiderte er. »Ihr alle kennt mein Gesicht. Unsere Feinde nicht. Deshalb hat das Gottesgesicht euch nicht in den Wahnsinn getrieben. Ihr habt mich in dem steinernen Gesicht gesehen.«
»Hmm.« Mr Socrates kratzte sich am Kopf. »Du scheinst eine Neigung zur Selbstüberhöhung zu haben, Modo. Du klammerst dich an solche Vorstellungen deiner eigenen Bedeutung. Vielleicht wirkt da noch der Umstand nach, dass du als Kind im Stich gelassen wurdest.«
Modo presste die Zähne aufeinander.
Mr Socrates hob die Hand. »Das ist weder der richtige Ort noch der richtige Zeitpunkt für Diskussionen. Gib mir jetzt das Gottesgesicht.«
Modo wollte es nur hergeben, wenn es unbedingt sein musste.
Irgendwo in der Ferne erklang eine Trommel. Kündigte sie den Gegenangriff an? Ein Chor begann zu singen.
Modo und die anderen blickten sich verwirrt um.
Plötzlich rief Octavia: »Schaut mal – da unten!«
Eine Gruppe halb nackter Menschen durchquerte im Gänsemarsch die Ruinenstadt und erklomm die hohe Treppe zum Tempel. Als sie näher kam, erkannte Modo das Regenvolk: fünfzehn Krieger, gefolgt von Nulu und ihrem Großvater.
Einer der Männer schlug eine Handtrommel. Die übrigen Krieger trugen Speere und Schilde, die mit Bildern des Gottesgesichts bemalt waren. Der Gesang brach ab, und sie stiegen die letzten Stufen zu Modo hinauf.
»Das sind Freunde«, sagte Modo zu seinen Gefährten. »Bitte, keine Waffen.«
Nulu zeigte mit ihrem kleinen Finger auf ihn und sagte: »Moh-Doh.« Und dann noch einige Worte.
»Nulu«, erwiderte er.
Ihr Anblick beruhigte ihn, und er war gerührt angesichts der Ehrerbietung, mit der die Krieger ihn anschauten.
Nulu zupfte an seinem Umhang, bis er schließlich, auf ein Knie gestützt, vor ihr in die Hocke ging. Sie schob seine Maske nach oben und berührte sein Gesicht. Ihre Finger waren warm.
»Walu. Ngulkurrijin. Yulu«, wisperte sie, während sie seine Wange streichelte.
Er hatte keine Ahnung, was die Worte bedeuteten, hörte aber aufmerksam zu. Sie wiederholte sie mehrmals mit leiser Stimme.
Dann nahm sie ihm sanft das Gottesgesicht aus den Händen. Es war so schwer, dass sie es mit ihren dünnen Ärmchen beinahe fallen ließ. Sie verbeugte sich leicht und übergab es ihrem Großvater. Anschließend verneigten sich auch der Großvater und die Krieger, bevor sie Nulu die Stufen hinunter in Richtung Regenwald folgten.
»Aber … aber …« Mr Socrates deutete auf die Krieger. »Sie können das Gottesgesicht nicht mitnehmen!« Er eilte ihnen ein Stück weit die Stufen hinunter nach, dann drehte er sich zu Modo um. »Befiehl ihnen, zurückzukommen! Sofort!«
»Das kann ich nicht, Mr Socrates. Ich spreche ihre Sprache nicht. Im Übrigen haben sie mehr Anrecht auf das Gottesgesicht als wir.«
»Sie haben ein Anrecht darauf?«
»Sie haben doch ihre bemalten Schilde gesehen. Wir würden ihr Leben durcheinanderbringen, wenn wir es ihnen wegnähmen.«
»Das Gottesgesicht könnte Kriege beenden!«
»Oder neue auslösen«, mischte sich Lizzie ein. Ihr Gesicht war ernst.
»Was soll das heißen?«, fragte Mr Socrates.
Lizzie zuckte mit den Schultern. »Waffen sind dazu gedacht, gebraucht zu werden.«
»Selbstverständlich«, erwiderte Mr Socrates.
Modo sah, dass das Regenvolk im Dschungel verschwunden war. »Jetzt ist es sowieso zu spät«, erklärte er. »Wir können es nicht mehr zurückholen.«
Mr Socrates starrte entgeistert auf die Stelle, wo die Waldbewohner verschwunden waren. Sein Gesicht verzerrte sich vor kalter Wut.
Modo setzte seine Maske wieder auf. »Sir …«, fing er an.
»Ich will nichts hören, Modo.« Mr Socrates machte eine abwehrende Handbewegung. »Lizzie, bring uns mit dem Luftschiff der Gilde von hier weg. Wer weiß, ob diese Eingeborenen nicht mit Verstärkung zurückkommen. Oder ob Miss Hakkandottir wieder auftaucht.«
Sie hasteten die Stufen hinunter zur Prometheus und gingen an Bord. In Windeseile befeuerte Lizzie den Dampfkessel, und wenig später hoben sie vom Boden ab. Der dröhnende Motor verkündete ihren Aufbruch. Während die Prometheus langsam über den Ruinen in die Höhe stieg, stand Modo an der Reling der Gondel und suchte den Dschungel nach einem Hinweis auf das Regenvolk ab. Nichts. Deutlich sah er die Sphinx und das Portal der Grabstätte, durch das sie entkommen waren. In dem Tempel hatte sein Abbild, ein Teil von ihm, seit über zweitausend Jahre gewartet. Das Gottesgesicht hatte ihn nicht in den Wahnsinn getrieben, aber womöglich
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