Mission Eureka
neben ihr. Er war in
ihr Territorium eingedrungen, und sie war nicht verärgert genug, um ihn
wieder rauszuwerfen. Noch nicht jedenfalls.
»Raten Sie mal«, sagte er.
»Sie sind Student.«
Er nickte.
»Und was studieren Sie?«
»Jetzt müssen Sie noch mal raten.«
Sie lächelte. Sie fand dieses Spielchen albern. Er wäre sogar für ihre Tochter zu albern gewesen â was heiÃt: sogar? Erst recht für ihre Tochter. Aber die Sonne schien, sie fühlte sich wohl, und er hatte ein entwaffnendes Lächeln. Warum also ungnädig sein? Warum das alberne Spielchen nicht ein Weilchen mitspielen?
»Medizin?«
Er hob die Sonnencreme auf. »Weil ich so zarte Hände habe?« fragte er grinsend. Dann schüttelte er den Kopf. »Falsch.«
»Irgendwas Technisches? Ingenieurwissenschaft vielleicht?«
Wieder schüttelte er den Kopf.
»Also, ich geb's auf ⦠Soziologie?«
»Brauereiwissenschaft«, sagte er.
»Was?«
»Brauereiwesen. Bierbrauerei. In Weihenstephan bei Freising. Freising bei München. München in Bayern. Enttäuscht?«
»Nein,
nein.« Warum, dachte sie, sollte ich enttäuscht sein? Warum sollte ihr
das auch nur im geringsten etwas ausmachen? Aber sie sagte es nicht.
»Erstens ist Bier krisenfest«, sagte er. »Und zweitens hat mein Vater eine Brauerei ⦠in Düsseldorf.«
»Wie praktisch.«
»Und Sie? Was machen Sie so?«
»Jetzt dürfen Sie raten.«
»Einkäuferin in einem Kaufhaus. Für Mode. Haute Couture.«
»Falsch.
Ich bin Hausfrau.« Sie lieà das Wort einen Moment im Raum stehen, diese
ominöse Wort, das immer irgendwie mit einem Hauch von Makel behaftet
schien. »Ich heiÃe Marianne und bin Hausfrau.« Sie lächelte.
»Enttäuscht?«
»Nein.« Er stemmte sich auf einem
Ellbogen hoch und schaute auf sie hinunter. »Aber für mich sind Sie
Einkäuferin in einem Haute-Couture-Haus und heiÃen ab sofort Yvonne.«
Er lieà sich wieder zurücksinken und betrachtete den Himmel. »Yvonne.
Das paÃt zu Ihnen.«
Yvonne, dachte sie. Okay, dann bin
ich eben jetzt Yvonne. Marianne ist jemand, der einen Tumor hat und
gerade eine Scheidung hinter sich. Yvonne ist solo und gesund. Yvonne
hat ein biÃchen was von einer Kokotte, von einem losen Flittchen. Sie
schaute ihn an. Ein gutaussehender junger Mann, und er lag nur wenige
Zentimeter von ihr entfernt. Es war fast so, als lägen sie zusammen in
einem Bett. Der Gedanke überraschte sie. Marianne wäre nie auf einen
solchen Gedanken gekommen. Yvonne schon. Yvonne konnte denken und tun,
was ihr gefiel. Yvonne waren keine Grenzen gesetzt.
Für
die Verführung hatte Chantal einen âºKampfanzugâ¹ aus gelbem Leinen
gewählt. Sie fuhr langsam am Hafen entlang und schaute sich die Yachten
an, die bewegungslos im Wasser lagen. Das Meer war ruhig, der Himmel
wolkenlos. Kein Lüftchen regte sich. Sie trat auf die Bremse, als sie
einen mit blauer Farbe auf einen weiÃen Rumpf gemalten Namen sah: Barracuda.
Aus
ihren Unterlagen wuÃte sie, daà es eine Hundert-FuÃ-Yacht mit einem
Camper-Nicholson-Twin-Diesel war. Auf einer Sonnenliege auf dem
Achterdeck lag ein junger Mann und beobachtete sie. In der rechten Hand
hielt er ein Glas Champagner. Neben ihm stand ein Sektkühler, aus dem
eine Flasche ragte. Der Mann sah noch besser aus als auf dem Foto in
den Unterlagen.
»Ausgezeichnet«, sagte sie zu sich
selbst, als sie die Zündung ausschaltete und sich aus dem Maserati
schwang. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie sein Blick zu ihren Beinen
herunterglitt, und dann langsam wieder an ihr hochwanderte, als sie auf
ihren Bleistiftabsätzen auf die Yacht zuging. Als sie die Laufplanke
hinaufging, verdüsterte sich seine Miene für einen Moment, schlug aber
sogleich wieder in ein Lächeln um, als sie sich bückte und mit einer
eleganten Bewegung die Schuhe auszog.
»Willkommen an
Bord«, begrüÃte sie der Mann. »Ich habe zwar nicht das Vergnügen, Sie
zu kennen, aber wie ich sehe, gehen Sie nicht zum ersten Mal an Bord
einer Yacht.«
»Ich würde mich nicht im Traum unterstehen, Ihr Deck zu ruinieren«, erwiderte sie.
»Mein Deck vielleicht nicht«, sagte er achselzuckend. »Aber alles andere â¦Â«
Oje,
dachte sie. Er kann es nicht lassen. Keiner von ihnen kann das. Sie
hatte gehofft, er wäre ein wenig
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