Mission Munroe 03 - Die Geisel
Sie schüttete erneut Wasserstoffperoxid darüber, legte ein sauberes Handtuch darauf und befestigte es mit demselben Streifen Klebeband wie zuvor. Als sie die Hose wieder angezogen hatte, waren insgesamt fünf Minuten verstrichen. Munroe stand auf und klopfte an die Zimmertür.
Lumani sagte: »Tut es weh? Die Wunde meine ich, tut das weh?«
Munroe drehte sich nicht um. »Und deine?«, fragte sie zurück.
»Ja«, erwiderte er. »Aber der körperliche Schmerz ist mir lieber als der andere. Eine willkommene Ablenkung.«
Munroe überprüfte die Batterieladung des Elektroschockers und warf ihm einen Schulterblick zu. »Der Schmerz in deinem Inneren ist das, was dich zum Menschen macht«, sagte sie. »Das solltest du nie vergessen.«
Solange sie auf Neeva warteten, entlud sie die Pistolenmagazine und lud sie neu. Rückte die Patronen zurecht und stopfte sich schließlich die Waffen und den größten Teil des Bargeldes in die Taschen ihrer Cargohose. Der Rest ließ sich ohne Probleme auf den Stoffbeutel und den Rucksack verteilen.
Die Schlüsselkarte wurde durch den Schlitz gezogen, und Neeva kam mit rot geschwollenen Augen zur Tür herein. Sie gab Munroe das Telefon, und diese wartete kurz ab, ob sie womöglich Therapeutin spielen musste, doch als Neeva nichts dergleichen sagte, drückte sie ihr den Stoffbeutel in die Hand. »Gib mir noch drei Minuten«, sagte sie.
Neeva hob die Augenbrauen, sagte aber nichts. Nachdem sie wieder draußen war, wandte Munroe sich an Lumani. »Ich lasse dir Geld, deine Klamotten, etwas zu essen und Wasser hier«, sagte sie. »Ich hoffe, dass ich in sechsunddreißig Stunden wieder hier bin, maximal achtundvierzig, aber eigentlich gehe ich davon aus, dass du schon vorher wieder freikommst.«
»Wirst du die Informationen dazu nutzen, meinen Onkel zu töten?«
»Möglicherweise.«
»Wenn nicht, wird er dich töten oder töten lassen.«
»Ich mache mir eher wegen dir Sorgen«, erwiderte sie. »Hast du einen Grund, mich zu jagen?«
»Ja.« Er starrte auf den Boden, auf ihre Füße. »Einen Grund habe ich.« Dann hob er den Blick und sah sie direkt an. »Aber keine Motivation.«
»Die findest du womöglich eines Tages«, antwortete sie, bevor sie in die Knie ging, um ihn besser ansehen zu können. »Aber selbst wenn du es schaffen solltest, mich zu jagen und mich zur Strecke zu bringen, du würdest dadurch nicht die Anerkennung bekommen, nach der du dich sehnst – nicht von ihm, und auch nicht von dir selbst.«
»Ich habe ihn nie geliebt, habe ihn nie verehrt«, erwiderte Lumani.
Sie stand auf, schlenderte zur Tür, drehte sich um und flüsterte, so leise, dass er es gerade noch hören konnte: »Ich habe auch mal an solchen Marionettenfäden gehangen. Ich wollte unbedingt die Zuneigung und Anerkennung eines Mannes gewinnen, der dazu niemals in der Lage gewesen wäre. Du hast ein ganzes Leben voller Möglichkeiten vor dir. Falls du dich dafür entscheidest.«
Sie trat hinaus auf den Flur, hängte das BITTE - NICHT - STÖREN -Schild an die Klinke und schloss Lumani ein. Wenn sie wieder zurückkam – falls sie zurückkam –, würde er sich befreit haben, daran hatte sie keinen Zweifel. Und die Entscheidung, ihn leben zu lassen, war ein Münzwurf gewesen, ein Zufall, genau wie das Leben aus Zufällen bestand. So wie sie im Augenblick mit den Konsequenzen ihrer Entscheidung, Kate Breeden am Leben zu lassen, zu kämpfen hatte, so würde sie sich vielleicht eines Tages in Lumanis Fadenkreuz wiederfinden. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als weiter dem schmalen Grat zwischen Instinkt und Gewissen zu folgen und das Beste zu hoffen.
Kapitel 40
Houston, Texas
Bradford tauschte sein Jackett gegen das Hemd eines Service-Technikers aus: grau, schmuddelig und immer noch mit dem Schweiß eines anderen versehen – zumindest ging er davon aus, dass der Gestank von Roger stammte, dessen Name in roten Lettern über der Brust aufgestickt war. Das Hemd eines anderen, die Pheromone eines anderen – eine einfache Täuschung für einen einfachen Plan: Er wollte zur Tür hineingehen, sich das Mädchen schnappen und wieder verschwinden.
Bradford gab Andre Adams die Schlüssel für den Explorer und bekam dafür im Gegenzug die Schlüssel für den Lieferwagen, den Adams kurzfristig besorgt und direkt hinter dem Explorer abgestellt hatte. Der weiße, schmutzige Firmenwagen mit der langen Leiter auf dem Dach war ebenso alltäglich wie unauffällig und daher genau das Richtige für diesen
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