Mission Munroe 03 - Die Geisel
Spielchen. Eine unterhaltsame Möglichkeit, dich unter Kontrolle zu behalten.«
Lumani senkte den Blick. Munroe wusste um die emotionale Sprengkraft, die in der direkten Konfrontation mit einer so tief verinnerlichten Wertlosigkeit und Scham lag. Sie wollte ihm einen Ausweg bieten. »Womit hat er dich im Griff?«
»Ohne ihn habe ich kein Leben«, antwortete Lumani. »Er hat mich bei sich aufgenommen, als ich vier Jahre alt war. Er hat mich jahrelang gefördert und Hunderttausende Dollar in meine Ausbildung investiert. Das Geld waren Schulden, die ich erst zurückzahlen musste, als Preis für meine Freiheit.«
»Aber du hast es zurückgezahlt und arbeitest trotzdem noch für ihn.«
»Er hat ein Konto für mich angelegt, mit dem Geld, das ich verdient habe …«
»Blutgeld«, schaltete Neeva sich ein.
Munroe hob die Hand, um sie zum Schweigen zu bringen.
»Ich habe die Kontoauszüge gesehen«, fuhr Lumani fort. »Es ist nicht wenig. Er hat mir schon oft versprochen, dass er das Geld freigibt. Aber immer war da noch ein letzter Auftrag zu erledigen. Und ich glaube, wenn das Geld überhaupt jemals für mich gedacht war, jetzt wird er es auf jeden Fall behalten, als Ausgleich für die Ware« – Lumani hielt inne und flüsterte dann – »und für meine Ermordung.«
»Du brauchst das Geld doch gar nicht«, sagte Munroe. »Du bist jung. Weit gereist. Du sprichst mehrere Sprachen. Zwar bist du nicht ganz so gut oder schlau, wie du glaubst, aber immer noch gut und schlau genug. Du kannst eigentlich überall noch einmal von vorne anfangen.«
»Und womit? Mit meinem Gewehr?«
»Das ist ein Argument, zugegeben«, meinte Munroe. »Aber jeder fängt irgendwo an. Ich hatte damals gar nichts. Es ist nicht leicht, aber es ist auch nicht unmöglich. Man muss es eben wollen.«
»Du bist eine Killerin«, sagte er. »Du bist auch nicht besser als ich.«
»Ich wusste gar nicht, dass wir uns jetzt miteinander vergleichen«, sagte sie. »Und, ehrlich gesagt, für Leute wie uns sind Begriffe wie besser oder schlechter ohnehin vollkommen bedeutungslos.« Sie stieß den Zeigefinger auf Lumanis Brust, woraufhin er zusammenzuckte. »Aber ich stehe zu dem, was ich getan habe, und versuche nicht, die Schuld auf andere abzuwälzen. Solange du das nicht kapierst, bist du einfach bloß ein dämliches Schaf. Du hast Potenzial, Valon. Du hast ein Leben. Das solltest du nicht verschleudern, indem du einer Illusion nachjagst.« Sie hielt inne, um die Wirkung ihrer Worte zu verstärken. »Du hast diverse Möglichkeiten, und es wäre wirklich dumm, wenn du die nicht wenigstens in Betracht ziehen würdest.«
Er zuckte mit den Schultern. Sein Blick war leer. »Was willst du wissen?«, fragte er. »Ich verrate es dir, soweit es für mich vertretbar ist.«
Ohne sich umzudrehen sagte Munroe: »Neeva, kannst du mal nachsehen, was wir noch zu essen haben?«
Neeva durchwühlte die Tasche. Munroe wandte sich an Lumani: »Ist die Verstärkung unterwegs?«
»Sind gestern Abend angekommen.«
»Wie viele?«
»Zwei Männer.«
»Bevor oder nachdem du Neeva abholen wolltest?«
»Danach«, meinte er, und dann, zögerlich und wie nebenbei: »Sie waren unterwegs, haben es aber nicht mehr rechtzeitig vor der Übergabe geschafft. Ich sollte zum Wagen zurückkommen und mich dann mit ihnen treffen. Wenn sie früher in der Stadt gewesen wären, säßen wir jetzt nicht hier.«
Munroe zuckte mit den Schultern. »Kann sein, kann aber auch nicht sein. Suchen sie nach dir?«
Lumani starrte auf den Fußboden, nicht nachdenklich, sondern eher, als hätte er etwas verloren. »Keine Ahnung«, sagte er. »Falls ja, dann nur um mögliche Spuren zu beseitigen. Aber nach ihr und nach dir suchen sie garantiert. Um dich umzubringen.«
»Was ist mit deinem Fahrer?«
»Das war gelogen«, erwiderte er. »Der Schlüssel liegt in einem magnetischen Kästchen am Fahrwerk des Autos. So arbeiten wir immer, damit auch jemand anders das Auto abholen kann, wenn wir das aus irgendeinem Grund nicht selbst erledigen können. Da ist auch mein Portemonnaie und mein Ausweis.«
Neeva stellte sich neben Munroe. Sie hielt die letzte Cracker-Packung in der Hand. Munroe nahm sie, riss sie auf und schob Lumani einen Cracker in den Mund. Er kaute. Sie gab Neeva etwas Geld. »Könntest du mal versuchen, ob du im Kiosk ein paar Schmerztabletten besorgen kannst? Und dann brauchen wir noch ein paar Flaschen Wasser.«
»Das kriege ich hin«, erwiderte Neeva. »Und für den Rest darf ich mir
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