Mission Munroe 03 - Die Geisel
behalte sie immer in meiner Nähe. Sie machen mich froh.« Er hielt inne, um eine Porzellanwange zu streicheln, dann ging er mit einem Seufzen zurück zum Schreibtisch und setzte sich auf seinen Stuhl.
»Aber das war unhöflich von mir«, sagte er dann. »Sie haben sicherlich einige Fragen.«
Munroe wartete ein wenig, bis die Stille sich über den Raum gelegt hatte, während sie ihn musterte und er sie. »Wo bin ich?«, sagte sie schließlich. »Und warum bin ich hier?«
»Sie sind in Kroatien, um einen Auftrag auszuführen«, sagte er und unterstrich diesen Satz mit einer verächtlichen Handbewegung. »Um Ihre Schuld zu begleichen.«
Munroe unterdrückte ein Schnauben. Es wäre wahrscheinlich sinnvoll gewesen, ihn um eine Erklärung zu bitten, damit sie überhaupt verstehen konnte, was es mit dieser so beiläufig erwähnten Verpflichtung auf sich hatte. Er schien ja davon auszugehen, dass sie mit den Umständen vertraut war. Aber ihr Instinkt sagte ihr, sich zurückzuhalten. »Die meisten Menschen bitten mich einfach um Hilfe«, sagte sie. »Ganz egal, was Sie von mir wollen, aber mich entführen, in eine Zelle stecken und bewachen zu lassen, ist mit Sicherheit die schlechteste Möglichkeit, es zu bekommen.«
»Das stimmt«, erwiderte er. »Die meisten Menschen würden vermutlich fragen. Aber ich gehe ohnehin davon aus, dass dieser Auftrag für Sie alles andere als akzeptabel ist. Also warum überhaupt ein Nein riskieren? Das würde mich nur zornig machen.«
Munroe blieb stumm, während sie ihren Gedanken freien Lauf ließ und versuchte, diesem Wahnsinn mit Logik zu begegnen. Ihr innerer Gefahren-Radar reagierte wie ein Geigerzähler bei Radioaktivität, mahnte sie, keinen Druck auszuüben, sondern sein Spiel mitzuspielen. Sie beugte sich nach vorn, genau wie er. Faltete die Hände auf dem Tisch, genau wie er, und sagte: »Was kann ich für Sie tun?«
Der Puppenmann lehnte sich zurück und lächelte, als wollte er den Moment des Sieges auskosten. Sich die Ereignisse der Schlacht, die schon gewonnen war, bevor sie begonnen hatte, einprägen, obwohl er gewusst hatte, dass es genau so kommen würde. Sein Lächeln zeugte von Macht und Kontrolle über eine Welt, deren unumstrittener Herrscher er war. Es war ein sadistisches Lächeln, das Munroe nicht zum ersten Mal sah, ein Lächeln, mit dem er sie zu seinem Besitz erklärte, und das, was hinter diesem Lächeln lag, ließ ihr Herz schneller schlagen.
Regungslos und ausdruckslos wartete sie, bis er sich schließlich nach vorn beugte. »Sie werden ein Päckchen abliefern«, sagte er. »Es geht sozusagen um einen Transport von A nach B .«
Diese Worte waren keine Überraschung – sie hatte das Kellerverlies, aus dem sie soeben emporgestiegen war, noch lebhaft in Erinnerung. »Handelt es sich womöglich um ein lebendiges Päckchen?«
»Oh ja, ausgesprochen lebendig«, gab er zurück. Seine Augen leuchteten, als hätte er endlich eine ebenbürtige Spielkameradin gefunden.
Munroe ließ sich gegen die Stuhllehne sinken, langsam, lässig, überlegt. Sie musterte sein Gesicht, wartete auf Hinweise, dann fuhr sie fort: »Ein lebendiges Päckchen transportieren«, sagte sie. »Dazu wäre ich wahrscheinlich in der Lage. Es kommt natürlich immer auf das Päckchen selbst und auch auf die Örtlichkeiten an. Da Sie ein Nein nicht akzeptieren wollen, kann ich wohl davon ausgehen, dass ich auch nicht dafür bezahlt werde, oder?«
Die Miene des Mannes verfinsterte sich. Die geniale Spielgefährtin hatte sich soeben als Idiotin entpuppt. »Sie begleichen Ihre Schuld«, sagte er. »Das dürfte doch mehr als genug sein.«
»Und wenn ich damit nicht einverstanden bin? Oder wenn ich, nachdem Sie sich so viele Umstände gemacht haben, trotzdem Nein sage?«
»Ich kann sehr hartnäckig sein.«
»Und ich kann geradezu störrisch sein.«
»Sie werden bezahlen, so oder so«, sagte er.
»In Euro? Dollar? Wie viel schulde ich Ihnen?«
Wenn er ihren Sarkasmus bemerkt hatte, ließ er es sich nicht anmerken. »Sie werden mit der einzigen Währung bezahlen, die Ihnen etwas bedeutet«, sagte er. »Nämlich mit unschuldigem Leben.«
Diese Worte trafen sie wie ein Schlag mitten ins Gesicht. Ihre Augen fingen an zu brennen, als hätte er sie tatsächlich geschlagen. Wie konnte er das wissen?
Während sie nach außen hin die Fassade der Gleichgültigkeit aufrechterhielt, setzte tief unten, in jener dunklen Höhle, in der der Wahnsinn sich während der vergangenen neun Monate zur Ruhe
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