Mission Munroe 03 - Die Geisel
den Abzug der Pistole an Logans Kopf. Sie war viel zu weit weg, um ihn vor den Auswirkungen ihrer Taten retten zu können. Ihre Gedanken überschlugen sich, suchten nach Lösungen, nach einem Ausweg. Munroe deutete auf die Tasche, in der Lumani das Handy verstaut hatte, und wandte sich an den Mann hinter dem Schreibtisch: »Heißt das, ich liefere Ihr Päckchen ab, und Sie bezahlen mich, indem Sie diesem Kerl da das Leben schenken?«
Ein kurzer Ausdruck der Enttäuschung huschte über das Gesicht des Puppenmanns, dann kehrte das heimtückische Grinsen zurück. »Ja, damit ist die Schuld bezahlt, und ich werde im Gegenzug dieses Leben verschonen.«
Was natürlich völliger Schwachsinn war.
Niemals würde ein Mann, der die Macht besaß, sie ausfindig zu machen, zu entführen und über den Atlantik zu schaffen, ein Mann, der unter diesem Gebäude einen Kerker hatte anlegen lassen, zulassen, dass sie sein Gesicht, dieses Versteck oder eines seiner Unternehmen zu sehen bekam, wenn er tatsächlich vorhatte, sie anschließend gehen zu lassen. Von Logan ganz zu schweigen. Doch im Moment zählte nur eines: die Illusion, dass er alles unter Kontrolle hatte und dass sie seine Lüge schluckte.
»Darauf könnte ich mich einlassen«, sagte sie. Das Lächeln des Puppenmannes wurde breiter. Er strahlte Zufriedenheit aus und entspannte sich sichtlich.
»Darüber bin ich sehr froh«, sagte er. »Ich mache einfach lieber Geschäfte mit rationalen Menschen. Dadurch lässt sich das Blutvergießen auf ein Minimum reduzieren.«
Ein leises, zustimmendes Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. Nach dem, was sie von Logans geschundenem Körper gerade gesehen hatte, musste man allerdings den Eindruck gewinnen, als hätte er gegen Blutvergießen nicht allzu viel einzuwenden. »Dann sollte ich mir wohl mal das Päckchen anschauen«, sagte sie.
Er deutete zur Tür. »Valon zeigt es Ihnen«, sagte er und wandte sich dann in ihrer eigenen Sprache an den jungen Mann. Seine Stimme klang verächtlich und frei von jener Zärtlichkeit, die vor Kurzem noch darin gelegen hatte. »Sobald du fertig bist, bringst du die Puppe zu mir.«
Lumani nickte. Das Hochgefühl von vorhin war einer ausdruckslosen Härte gewichen. Er wandte sich zur Tür und forderte Munroe mit einem Kopfnicken auf mitzukommen. Dabei blickte er sie kaum an.
Langsam und träge erhob sie sich.
Ging los, ohne erkennbare Eile, während ihre Gedanken von einem Informationsschnipsel zum nächsten hüpften, verzweifelt versuchten, sie zu einem schlüssigen Bild zusammenzusetzen und das Unerklärliche zu erklären.
Die beiden Wachen nahmen sie vor der Bürotür in Empfang, überließen Lumani die Führung und bildeten die Nachhut. Der Weg führte sie den von Goldschmieden flankierten Korridor entlang, durch die Stahltür und wieder hinab in den Untergrund, an der Zelle vorbei, in der sie gesessen hatte, bis ganz an das Ende. Noch immer bildeten die ungarischen Stimmen ein permanentes Hintergrundgeräusch.
An der hinteren Wand des schmalen Flurs saß ein weiterer Wachposten. Als das kleine Grüppchen näher kam, erhob er sich von seinem Klappstuhl. Mit einem Fingerschnipsen befahl Lumani ihm, die letzte Zelle aufzuschließen. Der Mann zog eine Kette aus der Tasche, an der ein Schlüssel hing.
Metallisches Klirren dröhnte durch die Enge, und dann ging die Tür auf. Munroe duckte sich und wollte gerade eintreten, da hielt Lumani sie auf. Sie blieb stehen, und exakt zur selben Zeit flog ein Löffel an ihrem Bein vorbei, gefolgt von einem Schwall unverständlicher Schimpfworte.
Die Stimme gehörte einer Frau, der Akzent an die Westküste der USA , und die Zelle stank wie ein Schweinestall, wie Munroe nach dem Betreten feststellte.
Lumani blieb draußen stehen, ebenso wie die Wachen, und ließ Munroe alleine hineingehen. Dann knipste er hinter ihr eine trübe Glühbirne an. Sie warf ein makabres Licht auf die heruntergekommene Gestalt, die sich bis an die hintere Wand zurückgezogen hatte. Schmutz-und Fäkaliengestank überlagerte den allgegenwärtigen feuchten Schimmel. Was immer dieses Mädchen zu essen bekommen haben mochte, sie hatte es nicht angerührt, sondern durch die Zelle geschleudert, hauptsächlich in Richtung Tür. Munroe ging ein Stück weiter hinein, um sie besser sehen zu können.
Das Mädchen war mit einem Fuß an die Wand gekettet, wie im finsteren Mittelalter. Es konnte sich kaum von der Matte, die ihm zum Schlafen diente, entfernen und hatte sich mit Ausscheidungen
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