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Mission Munroe 03 - Die Geisel

Mission Munroe 03 - Die Geisel

Titel: Mission Munroe 03 - Die Geisel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taylor Stevens
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besudelt. Seine Kleidung war schmutzig, fleckig und zerrissen, seine Haare verfilzt, sein Gesicht und seine Arme so voller Schmutz und Dreck, dass seine Hautfarbe unmöglich zu erkennen war.
    Nachdem Munroe sich an das Licht gewöhnt hatte, kam das Mädchen auf sie zugekrochen. Dabei stieß es ununterbrochen Verwünschungen aus, und ausgesprochen kreative noch dazu. Je näher es kam, desto stärker wurde der Gestank, und Munroe musste sich zusammenreißen, um sich nicht zu übergeben. Das Mädchen sprang auf sie zu, wurde aber von der Kette unsanft zurückgerissen. Munroe blieb knapp außerhalb seiner Reichweite, während es fluchte und kreischte und mit der Verzweiflung und der Wut eines wilden Tieres, das in Gefangenschaft geraten war, an seinen Fesseln riss und zerrte.
    Tränen der Wut und der Hilflosigkeit brodelten unter Munroes regungsloser Fassade. Unter anderen Umständen hätte sie sich auf die Seite dieser jungen Frau geschlagen und der Gewalt freie Bahn gelassen. Dann hätte der unbändige Drang sich nicht mehr unterdrücken lassen, wie zuvor im Korridor oder in dem Büro am oberen Ende der Treppe. Sie hätte zugeschlagen und die Männer, die für das hier verantwortlich waren, vernichtet.
    Unschuldiges Leben.
    Logan zu retten würde bedeuten, dieses Mädchen dem Schicksal auszuliefern, das der Puppenmann für sie vorgesehen hatte. Das Mädchen zu retten würde bedeuten, Logan im Stich zu lassen. Die erste Ahnung einer Niederlage zerrte an Munroes Seele, an den Rändern ihres Bewusstseins, begehrte Einlass. Sie war auch eine Gefangene, ihre Ketten waren genauso fest, ihre Wände genauso dick.
    Munroe drehte sich um. Sie hatte gesehen, was sie sehen wollte.
    Draußen vor der Zelle, wo nicht mehr dieser ekelhafte, kranke, Übelkeit erregende Gestank, sondern der Geruch nach Putzmittel vorherrschte, konnte sie wieder atmen. Im Korridor wurde kein einziges Wort gewechselt, weder zwischen den Wachposten noch zwischen Lumani und ihr. Er nickte nur noch einmal in Richtung Treppe, und Munroe ging darauf zu.
    Hinter sich hörte sie einen Schlauch auf den Betonfußboden fallen, anschließend das unwillige Quietschen eines Wasserhahns und das Rauschen eines Wasserstrahls. Und dann ertönte wiederum der Schrei des Mädchens – dieses markerschütternde, kreischende Heulen.
    Im großen Saal dirigierte Lumani Munroe nicht wieder in das Puppenbüro, sondern zu einer Toilette, in der sich nichts weiter befand als eine Kloschüssel, ein Waschbecken und ein alter, fleckiger Spiegel. Wieder benötigte Lumani nur ein Fingerschnipsen, um einen Jungen mit einem Karton in den Händen herbeizurufen.
    Lumani nahm den Karton, warf einen prüfenden Blick auf den Inhalt und hielt ihn Munroe hin.
    Sie rührte sich nicht von der Stelle.
    »Für deine Haare«, sagte er.
    Er hielt inne, deutete in Richtung Toilette und fügte hinzu: »In deinen Händen ist dieser Spiegel eine gefährliche Waffe, nicht wahr? Du könntest mich töten. Mich und noch ein paar andere. Dieses Risiko gehe ich ein. Dir ist doch klar, dass Logan für das alles büßen müsste, oder?«
    Munroe nickte, ohne den Blick von ihm zu nehmen.
    »Mein Onkel kennt kein Erbarmen, wenn jemand versagt«, sagte er. »Hast du das verstanden?«
    Dieser junge Mann, dieses Kind , hatte kein Recht, Logans Namen in den Mund zu nehmen, ihn so beiläufig auszuspucken, mit einer Vertrautheit, als wäre er so etwas wie ein guter, alter Bekannter.
    Munroe nahm die Schachtel, drehte ihm den Rücken zu und drückte die Tür ins Schloss.
    Sank zu Boden. Undurchdringliche Schwärze umfing sie, lud sie ein, sich in die finsteren Tiefen fallen zu lassen, wo weder Bewusstsein noch Schmerzen mehr existierten.
    Die Hände an den Kopf gelegt, das Gesicht auf dem Stein, lautlose Schreie ausstoßend, so versuchte sie, das alles zu verdrängen. Neun Monate lang hatte sie das Glück gekostet. Nie war sie dem Frieden und einem normalen Leben näher gewesen als in dieser Zeit. Neun Monate lang waren die Wut und die Gewalt, die so viele ihrer Lebensjahre geprägt und gezeichnet hatten, verstummt. Und jetzt besaßen diese Leute die Unverfrorenheit, sie aus ihrer neu gewonnenen Ruhe herauszureißen und sie in eine ausweglose Situation zu stürzen, die, gleichgültig, was sie tat oder wofür sie sich entschied, letztendlich eine Rückkehr in den Wahnsinn zur Folge haben musste.
    Sie keuchte. Brauchte Zeit zum Nachdenken, um Einzelheiten zu ordnen, die sonst keinen Sinn ergaben. Musste Bradford irgendwie

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