Mission Munroe 03 - Die Geisel
perfekt. Ich habe sie nach meinen Vorstellungen anfertigen lassen. So, wie das Päckchen im Keller exakt der Bestellung entspricht. Ich hatte keine Ahnung, wie viele Schwierigkeiten dieses Mädchen uns machen würde. Ich habe den Liefertermin schon überzogen. Sie werden das in Ordnung bringen.«
»Dafür brauchen Sie mich doch gar nicht«, erwiderte Munroe.
Das Lächeln des Puppenmannes blieb unverändert, auch wenn sein Blick ausschließlich an der zierlichen Puppe hing. »Es würde ein schreckliches Gemetzel geben, und das würde Ihnen nicht gefallen«, sagte er und hob den Blick. »Wir sollten jedes Blutvergießen vermeiden. Nur so bleibt die Situation für alle angenehm.«
»Warum ich?«, flüsterte sie.
»Das habe ich Ihnen doch bereits erklärt. Sie schulden mir etwas. Deshalb ist das für Sie ein fairer Handel. Ich bin, ehrlich gesagt, verblüfft über Ihre Begriffsstutzigkeit.«
»Vielleicht wäre ich ja entgegenkommender, wenn Sie mir diese Schuld ein bisschen ausführlicher erklären würden.«
»Was wollen Sie denn noch wissen?«, erwiderte er. »Sie sind schuld daran, dass mein amerikanischer Schleuser im Gefängnis sitzt.« Der Puppenmann hielt inne, beugte sich nach vorn und setzte dann noch einmal an, ganz langsam, als wollte er einem Vierjährigen die Grundlagen der Quantenphysik erklären. »Zuerst verschwindet der Schleuser, dann fangen die logistischen Probleme an. Danach kommt es zu ersten finanziellen Verlusten. Es ist im Prinzip ganz einfach. Deswegen gebe ich Ihnen die Chance, das verlorene Geld zurückzuholen. Dieses Päckchen besitzt einen enormen Wert. Sie liefern, und wir sind quitt.«
Munroe seufzte und gestattete ihm den Triumph ihrer sichtbaren Niederlage. »Okay.«
Nur sehr wenige Menschen wussten, wer sie war oder wie sie zu finden war. Und noch weniger wussten von ihrer engen Bindung zu Logan oder hatten tatsächlich den Mut, sich an sie heranzumachen. Aber wenn jetzt noch ein Schleuser mit ins Spiel gebracht wurde, dann kam nur Katherine Breeden in Frage. Mit dieser Erkenntnis zog Munroe die Verbindung zwischen diesem Wahnsinnigen – einem Menschenhändler, der Frauen in Puppen verwandelte – und den Akten in Bradfords Büro. Jetzt war ihr klar, dass alles, was ihr etwas bedeutete, auf dem Spiel stand, dass ein Einlenken die einzige Möglichkeit war, um Zeit zu gewinnen. Sie dachte an Logan und an den tückischen Morast, durch den sie nun zu waten hatte, und das Herz wurde ihr schwer.
Kapitel 8
Begleitet von einem hohlen, metallischen Klappern wurde die Tür aufgeschoben. Bessere Luft und viel zu viel Licht drangen herein. Neevas Puls fing an zu rasen. Schließlich war es noch nicht einmal fünf Minuten her, dass diese … diese Person … ein Er, eine Sie, ein Es, was auch immer, sie angeglotzt hatte. So kurz hintereinander bekam sie sonst nie Besuch.
Mit zusammengebissenen Zähnen ging sie in die Hocke und wartete auf das, was gleich kommen würde: Na los, macht schon, ihr dreckigen Arschlöcher, bringen wir’s hinter uns. Ein Haufen perverser Irrer, das waren sie. Tablett mit Essen reintragen und Hose runterlassen, angekettete Tussi anglotzen und sich einen von der Palme schütteln, danach wieder raus. Vernunftappelle, Fragen, nichts davon schien irgendetwas zu bewirken. Nicht einmal klägliche Tränen hatten etwas genutzt. Und außerdem – die Arschlöcher verstanden kein Englisch.
Ganz egal, wie übel ihre Schimpftiraden gewesen waren, sie hatten nicht einmal reagiert – abgesehen von dem Kerl mit dem Milchgesicht. Einmal hatte er sogar gelächelt, als sie sich ein paar besonders kreative Beschimpfungen hatte einfallen lassen, aber das war vor genau sechzehn Mahlzeiten gewesen, und erst heute hatte sie ihn wiedergesehen, als er diese … Person zu ihr gebracht hatte.
Vielleicht war es ja diese Person, die die Fäden in der Hand hielt.
Vielleicht war es ja diese Person, die wusste, warum sie eigentlich hier war.
Vielleicht hatten sie ihr den Sinn des Ganzen auch schon in ihrem seltsamen Kauderwelsch erklärt, und sie hatte es bloß nicht verstanden, obwohl das ziemlich unwahrscheinlich war. Männer redeten nicht besonders viel, wenn sie sich einen runterholten, und jedes Mal, wenn einer dieser Neandertaler den Mund aufgemacht hatte, war ein Befehl herausgekommen, den sie nicht verstanden hatte, oder eine Beschimpfung, die sie gar nicht zu verstehen brauchte, um zu wissen, was gemeint war.
Aber sie hatten sie bestimmt nicht nur hierher verschleppt, um ihr
Weitere Kostenlose Bücher