Mission Munroe 03 - Die Geisel
schlechtes Essen vorzusetzen und zu onanieren, nicht einmal, wenn sie wussten, wer sie war. Sie hatte natürlich schon öfter mit verrückten Fans zu tun gehabt, sogar mit echten Psychos – es war ja nicht so, als hätten noch nie kranke Briefe in ihrem Briefkasten gelegen. Aber egal, von welcher Seite sie es betrachtete – und sie hatte viel Zeit gehabt, um darüber nachzudenken –, das, was sich hier abspielte, passte nicht in das übliche Psycho-Axtmörder-Stalker-Grusel-Fan-Schema.
Sie hatte getreten, um sich geschlagen, gebissen und geschrien, und die hatten nicht ein einziges Mal zurückgeschlagen. Sie hätten es gerne getan, ganz eindeutig, und manchmal waren sie wirklich kurz davor gewesen, aber dann hatten sie sich höchstens damit gerächt, dass sie ihr den Toiletteneimer weggenommen oder die Kette gekürzt hatten, damit sie nicht mehr bis zu der Abflussrinne in der Ecke kam.
Damit hatte sie nicht gerechnet.
Dann hatten sie ihr die Decken weggenommen, sodass sie ununterbrochen zittern musste.
Das einzig Gute daran war – wenn man wirklich von gut sprechen wollte –, dass sie sie immer seltener belästigten, je mehr sie stank. Inzwischen waren bereits fünf Mahlzeiten vergangen, seitdem der letzte Gorilla die Hosen heruntergelassen hatte. Oh, sicher, wenn sie nur ihren angeketteten und erniedrigten Körper anzustarren brauchten, dann ging ihnen problemlos einer ab. Aber jetzt, wo sie so erbärmlich stank? Jetzt nicht mehr.
Arschlöcher.
Ein Schatten trat in die Türöffnung, kam aber nicht in die Zelle.
Neeva wartete. Irgendwann würde er schon näher kommen. Das war jedes Mal so.
Durch die geöffnete Tür wurde das ununterbrochene Gerede auf dem Flur noch lauter. Es war irgendeine Art Sprachkurs. Wörter auf Englisch, gefolgt von Wörtern in einer anderen Sprache, immer hin und her, unterbrochen von dem immer gleichen Bla-Bla-Bla. Seit mindestens vier Mahlzeiten ging das jetzt schon so, andauernd. Aber immer noch besser als das gelegentliche Weinen, das sie vorher gehört hatte. Weinen und Kreischen. Kleine Mädchen, allem Anschein nach, oder Teenager. Manchmal hatten die Schreie älter geklungen, hatten sich gegen eine andere Hölle aufgelehnt als die, die sie durchmachte – verletzt, verzweifelt, hoffnungslos. Die Worte waren nie in englischer Sprache gewesen, und sie kamen und gingen mit dem Weinen, kamen und gingen, gewöhnlich im Abstand von fünf oder sechs Mahlzeiten, bis schließlich irgendwann nichts anderes mehr zu hören gewesen war als die Sprach-Lektionen und vielleicht eine einzige Person im gesamten Flur.
Jetzt tauchte die Silhouette des Wärters erneut in der Türöffnung auf. Er hielt ein Seil in der Hand … ein Lasso. Nein, einen Schlauch. Neeva rechnete damit, dass er näher kam, doch er blieb stehen. Sie hatten ihre Taktik mittlerweile durchschaut, wussten, was sie vorhatte, und er wollte sich nicht zum Ziel ihrer Angriffe machen.
Mit einer schnellen Handbewegung hob der Schatten den Schlauch, und sie wurde von einem Wasserstrahl getroffen. Damit hatte sie nicht gerechnet. Die Kälte war Schock und Schmerz zugleich, und Neeva fing aus voller Kehle an zu kreischen. Der Strahl traf sie mitten ins Gesicht. Der Schatten richtete ihn nicht nur auf sie, sondern auch auf die Wände und den Fußboden, als wollte er allen Schmutz und allen Gestank in den kleinen, vergitterten Abfluss in der Ecke spülen, so wie ein Zoowärter die Käfige seiner Schützlinge reinigte.
Sie rang um Atem und keuchte, und als der Strahl ihre Brust traf, fing sie erneut an zu brüllen, aber es hörte nicht auf. Erst nachdem die Wände und der Fußboden klitschnass waren, nachdem die Kleider ihr am Leib klebten und die Matte, auf der sie geschlafen hatte, dick und schwer geworden war.
Der Wasserstrahl versiegte, und der Schatten mit dem Schlauch verschwand. Dann tauchte er wieder auf, trat ein und kam zu ihr. Sie versuchte, ihn zu kratzen, versuchte alles, um ihm zu entkommen, aber sie war angekettet und hatte Schmerzen, sie zitterte und hatte nichts, womit sie werfen konnte. Er packte sie am Kopf. Sie wehrte sich. Er drückte ihr mit Gewalt die Kiefer auseinander. Sie versuchte, ihn zu beißen. Er flößte ihr eine Flüssigkeit ein, und einen Augenblick später war jede Kraft aus ihr gewichen.
Er blickte auf sie hinunter, wie sie zitternd auf der völlig durchnässten Matratze lag und ihn anstarrte, während die Welt sich seltsam verzerrt um sie drehte. Verachtung lag in seiner Stimme, und obwohl
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