Mission Munroe. Die Sekte
ein wenig frech. Hier erfuhr Munroe mehr über die ERWÄHLTEN und ihre Gepflogenheiten als in ihren sämtlichen Gesprächen mit Elijah. Dann und wann übernahm Morningstar die Aufgabe der Übersetzerin für Munroe, ohne zu ahnen, dass diese jedes einzelne Wort nicht nur verstehen konnte, sondern auch aufzeichnete.
Schnell wurde klar, dass Hez und Jotham, sobald Spanisch gesprochen wurde, wenig verstanden und sich noch weniger dafür interessierten.
Das Spiel der Kräfte im Raum war ein klassisches Beispiel für Gewaltenteilung. Die Küche war Hez’ Domäne, er war dafür verantwortlich, mit den gelieferten Nahrungsmitteln Wunder zu vollbringen, und was die Arbeit anging, hörten alle ausnahmslos auf ihn. Aber in jeder anderen Hinsicht hielt Heidis Schwester Morningstar die Zügel in der Hand. Ihr war Munroe anvertraut worden, sie bestimmte, was und wie geredet wurde, sie war diejenige, an der die anderen sich orientierten, wenn sie mit dieser fremden Frau sprachen.
Mit der Zeit gewöhnten sie sich an Munroes Anwesenheit. Sie wurde ins Gespräch mit einbezogen, brachte mit einem beiläufigen Spruch die Mädchen zum Lachen und stellte die eine oder andere Frage. Nicht zu den unangenehmen Themen, die draußen in der LEERE üblich waren –
welche Hobbys sie hatten oder was ihr Lieblingsfach in der Schule war, und bestimmt keine Diskussion über das College oder welchen Beruf sie sich später einmal vorstellen konnten. Als ob sie diese Entscheidungen selbst treffen könnten! Nein, Munroe blieb auf vertrautem Gelände, wo es keine Fallen oder Tretminen gab, wo sie nicht auf Zehenspitzen herumschleichen mussten, um ihr Leben für eine Außenstehende halbwegs begreiflich erscheinen zu lassen, weshalb sie auch weniger Anlass zur Vorsicht hatten.
Diese drei Teenager-Mädchen waren Munroes Zielpersonen und sie behandelte sie wie jede andere Zielperson auch, die Geheimnisse zu bewahren hatte und sich dabei voll und ganz im Recht fühlte. Aber wenn man es schaffte, eine Zielperson in die Defensive zu drängen, sie an den empfindlichsten Stellen zu treffen, sodass sie sich, ob tatsächlich oder nur eingebildet, angegriffen fühlte, fing sie unweigerlich an, weich zu werden und die eine oder andere Information preiszugeben.
Munroe brachte das Gespräch, ohne einem festen Plan zu folgen auf ihre sogenannte Kirche, auf die Freuden, die der Dienst für den Herrn mit sich brachte, und auf die segensreiche Wirkung der Entsagung, die bei denen offenbar wurde, die alles aufgegeben hatten, um Gott zu dienen. Dann ging sie einen Schritt weiter und fragte die jungen Mädchen, wie sie, die sie das Glück gehabt hatten, innerhalb der Bewegung geboren zu werden, die Entsagungen der ersten Generation empfanden, und ob sie überhaupt die Möglichkeit besaßen, etwas Ähnliches zu tun.
Der Themenwechsel ging so unauffällig vonstatten, dass die Mädchen nicht das Geringste bemerkten. Morningstar und Sarai erzählten freimütig aus ihrem Leben, von den Opfern, die sie bereits gebracht hatten, und Munroe wartete
geduldig ab, saugte jedes Wort begierig auf. Nur Hannah blieb die ganze Zeit über seltsam still.
Schließlich sprach Munroe sie direkt an. »Und was ist mit dir, Faith?«
Nach einem verstohlenen Blick zu Morningstar und einem leise angedeuteten Nicken erwiderte Hannah: »Ich habe meinen Dad für die Arbeit des Herrn geopfert. Er dient ihm auf eine ganz besondere Art und Weise, und deswegen kann ich ihn nicht mehr sehen, schon seit ein paar Jahren nicht mehr. Ich habe also auch meine Familie aufgegeben, genau wie die erste Generation. Ich weiß, wie das ist. Es ist schwer. Aber der Herr wird mich dafür segnen.«
Hannahs Worte bestätigten Munroes Vermutungen, aber die ungeschminkte Wahrheit brachte auch einen schmerzhaften Stich mit sich. Äußerlich blieb Munroe so gelassen wie die anderen, aber innerlich kochte erneut die Wut in ihr hoch. Hannah war diesen Leuten so wichtig gewesen, dass sie sie entführt und ihren leiblichen Eltern, die sie liebten und die ihr die Welt zu Füßen gelegt hatten, aus den Händen gerissen hatten, aber noch wichtiger war natürlich der Dienst für den PROPHETEN .
Morningstar warf Hannah einen warnenden Blick zu, worauf Hannah verstummte. Munroe wollte sie dazu bringen weiterzumachen. »Zumindest hast du noch deine Mom«, sagte sie.
Hannah nickte. »Sie ist meine Mutter im Herrn – so wie eine Adoptivmutter.«
»Ist deine leibliche Mutter denn mit deinem Vater zusammen?«
Hannah schüttelte
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