Mission Munroe. Die Sekte
und Füße sehen.«
»Ich suche ein junges Mädchen im Teenager-Alter, vermutlich in Begleitung.«
Während des Abendgebets hatte Munroe Hannah das letzte Mal gesehen. »So ungefähr ab halb neun.«
Die folgende Stille in der Leitung wurde nur durch kaum hörbares Piepsen und Klicken unterbrochen, während Bradford die Aufnahmen durchforstete.
»Ich glaube, ich hab’s«, sagte er. »Nach acht sind nicht mehr viele Leute gegangen, und die einzige Aufnahme, die passt, zeigt eine ganze Gruppe. Zwei weibliche Beinpaare, von denen eines eindeutig einem Mädchen gehört, und dazu ein paar Anzugträger.«
Munroe war sprachlos. Wie benommen stand sie da und stieß einen leisen Fluch aus, ohne sich darum zu scheren, was Morningstar davon halten mochte. Alles lief schief. Total schief. Ihr kompletter Plan, ihre Strategie, alles über den Haufen geworfen. Sie musste etwas Entscheidendes
übersehen haben. Aber bei allem, was Munroe im Augenblick nicht begreifen konnte, waren doch zwei Dinge vollkommen klar.
Es hatte nichts damit zu tun, dass sie Hannah von ihr fernhalten wollten – ihre eigene Tarnung war immer noch intakt. Und dass Hannah eine Nacht außerhalb verbrachte, war alles andere als Routine oder normal.
Munroe hatte das besitzergreifende Naturell der Cárcan-Bosse am eigenen Leib erlebt und wusste aus den Akten, wie bedenkenlos die ERWÄHLTEN ihre Frauen mit den Mächtigen teilten. Hannah war zwar noch jung, aber wunderschön, und obwohl es offiziell verboten war, minderjährige Mädchen zur Verfügung zu stellen, bedeutete das noch lange nicht, dass es nicht passierte. Gideon hatte diesbezüglich immerhin eindeutige Erfahrungen gesammelt.
Solange Munroe nicht mehr wusste, gab es dafür nur zwei realistische Erklärungen: Entweder war Hannah den Unterstützern als Spielzeug mitgegeben worden, oder aber die ERWÄHLTEN wollten Hannah aus der Oase wegschaffen, um sie zu verstecken. Falls dem so war, falls Gideon sie möglicherweise aufgeschreckt hatte, würde sie ihm verdammt noch mal das Genick brechen.
»Ich komme zu dir«, sagte sie zu Bradford. »Hier können wir heute Abend nichts mehr tun.« Und mit diesen Worten klappte sie das Handy zu.
Dann wandte sie sich an Morningstar. »Ich muss gehen. Ich habe einen Notfall in der Familie.«
Morningstar machte ein verwirrtes Gesicht. »Komm, wir reden mit meinem Dad«, sagte sie.
Elijah reagierte, wie Munroe erwartet hatte, konsterniert und enttäuscht. Und sie machte sich nur aus dem einzigen
Grund die Mühe, ihm zu erzählen, dass ihre Mutter ins Krankenhaus gekommen war, weil sie sich die Möglichkeit offenhalten wollte, die Oase noch einmal besuchen zu können, falls das notwendig werden sollte.
»Leg deine Mutter vertrauensvoll in die Hände des Herrn«, sagte Elijah. »Sein Werk, sein Plan kommt vor allem anderen, und wenn du tust, was er von dir will, wird er sich auch deiner Mutter annehmen.«
Munroe biss die Zähne zusammen und versuchte, so ruhig wie nur irgend möglich zu bleiben. »Sie ist meine Mom«, sagte sie. »Sie braucht mich, und meine Familie erwartet, dass ich da bin.«
Da ging die Tür auf und Esteban trat ein. Jetzt waren es schon drei Mitglieder der Oase. Sie hätte sich eigentlich bedrängt fühlen müssen, und da sie in ihren Augen lediglich eine harmlose junge Frau war, war genau das vielleicht ihre Absicht.
»Indem du dich ganz unter Gottes Willen stellst«, sagte Elijah, »erreichst du vollkommenen inneren Frieden und die absolute Gewissheit, dass das, was heute Abend geschehen wird, Gottes Plan ist. Gott möchte, dass du hierbleibst. Und du musst dich fragen: Wer ist meine Mutter? Wer ist mein Vater? Wer sind meine Brüder und Schwestern? Deine wahre Familie sind diejenigen, die den Willen Gottes erfüllen. Wir sind deine Familie, Miki, du gehörst hierher.«
Wenn es überhaupt etwas gab, womit Munroe sich wirklich gut auskannte, dann war es die Bibel. Manche Stimmen aus der Schrift hatten sich so tief in ihr Unterbewusstsein eingebrannt, dass sie bis vor Kurzem noch wie ein unterschwelliges Flüstern in ihrem täglichen Leben präsent gewesen waren. Sie wusste genau, auf welchem Fundament
Elijahs Wertvorstellungen fußten, weswegen sie noch einen letzten Trumpf ausspielte. »Es kann sein, dass sie heute Nacht stirbt. Ich muss zu ihr.«
Elijah reagierte mit einem väterlichen Tadel. »Jesus stand einmal vor genau derselben Frage. Ein Mann kam zu ihm, der ein Jünger werden wollte, genau wie du. Er bat ihn nur um ein
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