Mission Munroe. Die Sekte
verstehen, dass du dich verpflichtet fühlst, das zu Ende zu bringen, was du einmal angefangen hast. Schließlich hast du es Logan versprochen. Aber jetzt stehen wir vor einer völlig neuen Situation. Die handelnden Personen haben sich geändert, die Risiken haben sich verschoben. Wir würden es völlig unvorbereitet mit einer Gruppe skrupelloser Gangster zu tun bekommen, die sich hier auskennen, die bewaffnet sind und jede Menge Beziehungen haben. Das können wir zu zweit und so kurzfristig unmöglich schaffen.«
Was auch immer Bradford als Reaktion auf diesen Ausbruch erwartet haben mochte, ganz bestimmt nicht, Munroe auf seinem Schoß vorzufinden.
Zuerst blieb sie noch einen Augenblick still und nachdenklich auf ihrem Stuhl sitzen, dann stand sie auf und trat zu ihm ans Bett. Sie platzierte ihre Knie links und rechts von seinen Oberschenkeln auf der Matratze, nahm sein Gesicht in beide Hände und küsste ihn auf die Stirn.
»Ich will mich nicht mit dir streiten«, sagte sie. »Du hast ja recht.«
So verharrte sie für einen Moment, die Wange an sein Haar gelegt. Er schloss die Augen und sog ihren Duft ein, empfand Schmerz und Glück zugleich. Er wollte sie festhalten, sie vor sich selbst und vor der Welt beschützen, aber das durfte er nicht. Jetzt nicht und überhaupt niemals.
Sie ließ ihn los, ging zum Fenster und starrte nach draußen. »Ich muss das zu Ende bringen«, sagte sie. »Und das werde ich auch tun, so oder so. Wenn es sein muss, dann eben alleine.« Sie wandte sich zu ihm um. »Ich will dir nicht drohen, Miles, und ich will dich bestimmt nicht manipulieren. Ich kenne dich. Wenn ich sage, ich gehe, dann glaubst du, dass du auch gehen musst, und sei es nur, um mich im Auge zu behalten. Aber das will ich nicht. Durchaus möglich, dass sich die ganze Aktion als Selbstmordkommando erweist, aber es ist meine Aktion, nicht deine. Deswegen akzeptiere ich auch alle möglichen Konsequenzen.«
»Aber warum?«, stieß er hervor. »Um Gottes willen, warum, Michael?«
Sie zitierte seine Worte: »Weil ich eine Gabe habe, und weil ich diese Gabe nutzen will.«
Bradford saß schweigend auf dem Bett, während die
Pauken der Enttäuschung immer lauter und lauter zu dröhnen begannen. Ihre Entscheidung hing eng mit Logan zusammen. Von Anfang an hatte alles mit Logan zusammengehangen. Und mit ihrer fehlgeleiteten Loyalität und ihrer Sturheit und Dickköpfigkeit und ihrer Weigerung zu erkennen, wann es genug war, schlicht und einfach deshalb, weil ihr Leben ihr selbst weniger bedeutete als anderen. Er hielt kurz inne und wählte seine Worte sorgfältig.
»Logan würde dich ohne mit der Wimper zu zucken vor den nächsten Bus schubsen, wenn er dadurch seine Tochter aus den Händen der ERWÄHLTEN befreien könnte.«
»Ja, das weiß ich«, erwiderte sie. »Hannah ist immerhin seine Tochter. Wer soll sich denn um das eigene Kind kümmern, wenn nicht die Eltern?«
»Na ja, sicher.« Bradfords Stimme wurde ein klein wenig lauter. »Aber wenn du Logan genauso viel bedeuten würdest wie er dir, müsste er dir zumindest den Rücken freihalten und dich nicht als eine Art menschliches Schutzschild missbrauchen. Darauf läuft es nämlich hinaus. Du bist zu einem menschlichen Schutzschild geworden. Merkst du das denn gar nicht?«
Sie zuckte die Achseln, als ob es sich nicht einmal lohnte, darüber nachzudenken. »Ich kann ganz gut auf mich selber aufpassen«, sagte sie. »Ich brauche keinen Beschützer.«
»Und trotzdem lässt du dich freiwillig darauf ein. Du lässt dich bewusst als Werkzeug missbrauchen.«
Munroe verharrte einen Moment, drehte sich ein wenig und blickte ihm frontal ins Gesicht. Starrte ihn an. Lange. Durchdringend.
»Ja«, sagte sie schließlich. »Ich mache das freiwillig, obwohl ich weiß, dass ich ein Mittel zum Zweck bin, und zwar, weil ich meine Entscheidungen unabhängig von den
Reaktionen anderer treffe. Ich habe mich entschieden, das zu tun, weil es mir passt. Ich habe mich entschieden, Logan zu helfen, weil ich es will. Ich habe mich entschieden, seine Tochter zu retten, weil ich es kann. Ich habe für mich entschieden, dass mich ihr Schicksal nicht kaltlässt. Verstehst du den Unterschied? Es ist eine Entscheidung, Miles, keine Verpflichtung. Keine Last. Keine emotionale Erpressung. Es ist nichts, was ich machen muss , weil Logan mich braucht. Ich tue das nicht aus Dankbarkeit oder als Gegenleistung für irgendetwas. Was Logan macht, wie Logan empfindet, wie Logan reagiert, das alles hat
Weitere Kostenlose Bücher