Mission Munroe. Die Sekte
»Sie haben sie rausgezogen?«
»Ja«, entgegnete Munroe. »Sie haben sie rausgezogen. Will mir vielleicht jemand verraten, wieso sie das gemacht haben könnten? Ich habe direkt neben ihr im Bett gelegen, also können wir wohl davon ausgehen, dass sie sie nicht vor mir verstecken wollten. Warum haben sie Hannah aus der Oase rausgeholt? Warum haben sie jetzt mit einem Mal die Hosen voll?«
Heidi und Logan tauschten ein paar Blicke aus. Die beiden wussten etwas, und Munroe stutzte. »Was?«, sagte sie. »Was verschweigt ihr mir?«
»Heidi ist einer Gruppe von ERWÄHLTEN begegnet«, sagte Logan.
Munroe lag eine giftige Bemerkung auf der Zunge, aber sie schluckte sie hinunter und versuchte, diese neue Entwicklung zu verdauen. Sie kam zwar unerwartet, aber trotzdem. Irgendetwas passte immer noch nicht richtig zusammen. »Warum habt ihr mir das nicht gesagt?«, sagte sie schließlich.
»Sie haben mich nicht gesehen«, erwiderte Heidi.
Munroe war kurz davor, aufzuspringen und anklagend den Zeigefinger auf Heidi zu richten. »Ich habe dir doch gesagt, du sollst dich von ihnen fernhalten«, sagte sie. Und an Logan gewandt: »Du hast das gewusst?«
Logan nickte. »Ich hab’s gesehen.«
»Wann?«
»Gestern.«
»Und du kannst mit absoluter Sicherheit ausschließen, dass sie Heidi gesehen haben?«
»Sonst hätte ich dich auf der Stelle angerufen.« Munroe wurde wieder ein wenig ruhiger. Logan wollte seine Tochter
unbedingt wiederhaben, daher würde er zweifelsohne auf jedes noch so kleine Detail achten. Sie vertraute ihm hundertprozentig. Und außerdem, wenn die ERWÄHLTEN Heidi gestern tatsächlich gesehen hätten, wäre Hannah noch am selben Abend verschwunden.
Munroe stützte die Ellbogen auf den Tisch. »Also stehen wir wieder ganz am Anfang«, sagte sie. »Wenn sie Heidi nicht gesehen haben, warum sind sie dann plötzlich so verunsichert?«
Sie ließ die anderen über dem angesprochenen Problem grübeln und sich auf der Suche nach einer Antwort den Kopf zerbrechen, einer Antwort, die ihnen doch eigentlich so offensichtlich entgegenstarrte. Sie wartete ab und hoffte, dass wenigstens einer von ihnen darüberstolperte, bevor sie es selbst aussprechen musste. Denn wenn die Tatsache, dass Hannah aus der Oase herausgeholt worden war, wirklich nichts mit ihnen zu tun hatte, dann wusste sie genau, woran es lag. Das sagte ihr ihr Bauch, wenn auch nicht in allen Einzelheiten. Aber genau diese Einzelheiten brauchte sie, bevor sie entscheiden konnte, was als Nächstes zu tun war.
Logan ergriff als Erster das Wort. Er starrte auf den Tisch, während sich der gedankliche Hindernislauf, den er gerade absolvierte, auf seiner Miene deutlich abzeichnete. »Sie bereiten sich auf irgendetwas vor«, sagte er. »Sie rechnen damit, dass jemand Hannah entführen möchte, und wollen sie außer Sichtweite bringen. Sie haben nur keine Ahnung, dass du diejenige bist.«
Munroe nickte. Sie wollte ihm noch nicht auf die Sprünge helfen, wollte sichergehen, dass alle drei die komplexen Zusammenhänge erfassten, mit denen sie es hier zu tun hatten.
»Aber warum ausgerechnet jetzt?«, fragte sie.
»Sie wissen, dass wir kommen«, flüsterte Logan, mehr an Heidi und Gideon gewandt als an Munroe. Es klang auch eher wie eine unsichere Frage, nicht wie eine Feststellung. Aber aus den Blicken, die die drei miteinander wechselten, sprach abgrundtiefer Schrecken.
Munroe sagte: »Also gut, so sieht es aus. Falls ihr euch alle drei sicher seid – und damit meine ich wirklich absolut sicher, ohne den geringsten Hauch eines Zweifels, eine Sicherheit, die im Wissen wurzelt und nicht etwa in der Angst, dass ich euch die Beine brechen könnte –, falls ihr euch also vollkommen sicher seid, dass diese Maßnahme der ERWÄHLTEN nicht mit einer Begegnung irgendwo in der Stadt zusammenhängt, dann kann ich damit etwas anfangen. Wenn es aber doch irgendwie mit einem von euch zu tun haben könnte, muss ich das wissen, und zwar jetzt sofort, sonst kann es sein, dass wir bald alle tot sind.«
»Ich für mein Teil kann das wirklich ausschließen«, sagte Logan. Heidi schüttelte als Antwort den Kopf, und Gideon hob noch einmal die Hände. »Ich auch«, sagte er.
»Okay.« Munroe schwieg eine Weile, wartete, bis alle die Bedeutung der Situation erfasst hatten. »Wenn wirklich niemand von euch dahintersteckt, habe ich zwei Möglichkeiten anzubieten, über die ich mir zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine grauen Haare wachsen lassen muss. Aber vielleicht solltet
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