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Mission Munroe. Die Sekte

Mission Munroe. Die Sekte

Titel: Mission Munroe. Die Sekte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taylor Stevens
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hinunter zu den Schiffsanlegern führten, erinnerte mehr an einen Flughafen als an einen Fähranleger.
    Munroe bat den Russen, am Parkplatz mit den Polizisten
und Wachleuten vorbeizufahren und erst ein Stück hinter dem Terminal mit dem Ticketschalter anzuhalten. An einem rostigen Zaun, der die Hafenanlagen vom Stadtverkehr trennte, blieb er stehen.
    Sie bot ihm Geld an, doch er lehnte ab.
    Nach einem Abschied voller ungestellter Fragen und einem beschwichtigenden Händedruck fuhr er weiter. Sie blieb stehen und sah dem Wagen nach, bis er vom Strom der anderen Fahrzeuge verschluckt wurde.
    Munroe verließ die Straße und ging am Zaun entlang auf das heruntergekommene Ende der Kaianlagen zu. Dort waren die Gebäude alt, die Sicherheitsmaßnahmen nachlässig und weniger Fußgänger unterwegs. Sie fand eine Stelle, wo sie über den Zaun springen konnte. Von dort ging sie zu einer Stelle, wo eine größere Gruppe von Arbeitern beieinanderstand. Hier konnte sie sich unauffällig irgendwo hinsetzen und das Geschehen beobachten, während sich die Autos vor der Fähre stauten und die Gepäckarbeiter mit ihren kleinen Zugmaschinen und Anhängern sich bereit machten, die nächste Fähre zu beladen.
    Die Fähre nach Montevideo sollte in einer Stunde ablegen, und sie würde sich irgendwie an Bord schmuggeln. Das Ticket selbst war nicht das Problem, sondern die notwendigen Reisedokumente und die anschließende Passkontrolle – als würde ihr das völlig zerschundene Gesicht nicht schon genug unnötige Schwierigkeiten bereiten.
    Hoch oben hinter den Glasscheiben des Terminals konnte sie die Silhouetten der Passagiere erkennen, die sich langsam sammelten, um an Bord zu gehen. Aber sie waren für Munroe nicht von Interesse. Der Wert eines Reisepasses bemaß sich nach dem eigentlichen Besitzer, und dadurch bestand immer die Möglichkeit, in unvorhergesehene
Schwierigkeiten zu geraten. Am liebsten wäre ihr ein argentinischer Personalausweis gewesen. Mehr brauchte man als Argentinier nicht, um nach Uruguay zu kommen. Keine Fragen. Keine Verdächtigungen. Nichts weiter als eine offene Tür ins Nachbarland.
    Kühl und berechnend betrachtete sie die Gestalten auf dem Anleger, versuchte, jeden Einzelnen einzuschätzen, ging einen nach dem anderen durch. Schon wieder war sie an diesem kritischen Punkt angelangt, an dem das Raubtier stärker wurde als das Mitgefühl, an dem, wie bei dem russischen Autofahrer vorhin, ihre persönliche Notlage die Grenzen zwischen Richtig und Falsch verschwimmen ließ, an dem anstelle der wahren Schuldigen ein Unbeteiligter zu leiden hatte.
    Munroe stand auf und näherte sich bedächtig dem geschäftigen Treiben vor der Fähre, beobachtend, abwartend suchte sie nach einer sich bietenden Gelegenheit inmitten des Gewimmels. Lieferanten, Hafenarbeiter und gelegentlich auch Mitglieder der Schiffsbesatzung kamen und gingen. Munroes Blick verfolgte sie mit leidenschaftslosem Interesse.
    Es dauerte zwanzig Minuten, bis sie ihre Zielperson gefunden hatte. Er gehörte zum Fährenpersonal, war höchstens Anfang dreißig, und sowohl seine Körpersprache als auch seine untergeordneten Tätigkeiten deuteten darauf hin, dass er seinen Platz im Kellergeschoss der Schiffshierarchie einnahm. Im Gegensatz zu den anderen Besatzungsmitgliedern würde er bei der Abfahrt der Fähre nicht allzu sehr vermisst werden. Und was noch besser war: Da er Angestellter von Buquebus war, erledigte sich nicht nur das Problem mit dem Reisepass, sondern auch das mit dem Ticket. Nicht einmal über die Grenzkontrollen brauchte sie sich noch große Gedanken zu machen.
    Die Fähre war nun fast abfahrbereit. Die Flut der Passagiere, die seit zehn Minuten auf das Schiff strömten, verebbte langsam, und die Zielperson hatte schon mehrfach diverse Kisten über die Dienstboten-Gangway an Bord geschafft.
    Munroe stoppte bei jedem Gang die Zeit und wartete, bis er mit seiner vorletzten Ladung im Bauch des Schiffes verschwunden war.
    Der Gang, der Körperbau und die Aufmerksamkeit eines Menschen gegenüber seiner Umgebung ließen im Normalfall zahlreiche Rückschlüsse auf sein Wesen zu, aber oft genug war die äußere Erscheinung auch trügerisch. Durchaus möglich, dass eine überaus nette alte Dame nichts anderes im Sinn hatte, als einem ein Messer in den Bauch zu stoßen. Daher barg ein unbekannter Gegner, wie fügsam und zahm er auch wirken mochte, immer ein gewisses Risiko.
    Als der Mann das nächste Mal auf dem Anleger auftauchte und gerade die

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