Mission Munroe. Die Sekte
sie.
Er hob beide Hände. »Mein Geldbeutel«, sagte er, und sie nickte.
Der Mann holte seinen Ausweis heraus und hielt ihn ihr hin.
»Leg ihn auf den Boden«, sagte sie. Er gehorchte, zog seine Jacke aus und ließ sie theatralisch auf den Ausweis fallen. Dann hob er die Augenbrauen und sah sie fragend an. Und nun? , sollte das wohl heißen.
Sie verlangte sein T-Shirt. Er zog es ebenfalls aus und enthüllte einen ziemlich gut trainierten Oberkörper. Sie setzte einen Stiefel bedrohlich fest auf seine Lenden, bückte sich und nahm das Shirt in die Hand.
»Keine Bewegung«, sagte sie.
Sie schnitt den Stoff in Streifen und zwang ihn, den Kopf zwischen die Knie zu legen, stellte ihm einen Stiefel in den Nacken und fesselte ihm die Hände auf den Rücken. Anschließend knebelte sie ihn. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass er sich nicht selbst befreien konnte, befahl sie ihm aufzustehen.
Sie öffnete seinen Gürtel. Entsetzt starrte er sie an und fing an rückwärtszutrippeln – ein aussichtsloser Versuch zu fliehen, wo es keinen Fluchtweg gab.
Munroe musste lachen und schüttelte den Kopf. »Beruhig dich«, sagte sie. »Ich sorge nur dafür, dass du nicht abhauen kannst.« Dass sie eine Frau war, brauchte sie nun nicht extra zu erwähnen.
Seine Augen blieben zwar weit aufgerissen, aber er wehrte sich nicht mehr. Sie legte ihm die Hände auf die Schultern, damit er sich wieder hinsetzte. Sie ließ die Hose um seine Knöchel liegen, band die Füße mit ein paar T-Shirt-Streifen aneinander und führte die improvisierten Fesseln um die Toilettenschüssel herum. Er würde sicherlich
versuchen, sich zu befreien, sobald sie nicht mehr da war, aber die Fesseln würden halten, bis die Fähre abgelegt hatte. Mehr brauchte sie nicht.
Sie schlüpfte in seine Arbeitsjacke. Nahm den Ausweis. Huschte zur Toilette hinaus und schloss die Tür.
Munroe ging zurück zum Anlegeplatz der Fähre, nahm die verbliebene letzte Kiste auf die Schulter und trug sie in den Bauch des Schiffes. Die ganze Angelegenheit hatte alles in allem gerade einmal fünf Minuten gedauert.
Erst nachdem sie an Bord war, Abstand zum Tageslicht und dem Kampf gewonnen hatte, merkte sie, wie stark sie zitterte. Sie hatte zweimal hintereinander erst einen Adrenalinrausch und dann die anschließende Adrenalindepression mitgemacht. Jetzt war sie vollkommen erschöpft. Sie musste unbedingt etwas essen. Musste sich ein Versteck für die Dauer der Überfahrt suchen.
Sie befand sich im Unterdeck bei den Autos. Überall stank es nach Abgasen und Maschinen. Die Gepäckwagen waren mittlerweile alle wieder von Bord gerollt, die Passagiere wurden aus ihren Autos nach oben geschickt, und nur wenige Besatzungsmitglieder blieben hier unten.
Munroe eilte zwischen den Autos hindurch. Auf einem kleinen Vorsprung neben einem Behälter mit Rettungswesten sah sie eine Konservendose stehen, die irgendjemand kurz abgestellt haben musste. Ohne ihre Schritte zu verlangsamen oder ihre Ladung loszulassen, griff Munroe danach und trat durch eine fensterlose Tür.
Sie gelangte in einen leeren Lagerraum. Es war dunkel und eng.
Munroe schlüpfte hinein, stellte die Kiste auf den Boden, setzte sich darauf und schaufelte sich das Essen aus der Dose in den Mund, schlang es ohne zu kauen hinunter,
als sei sie am Verhungern, gierte nach Protein, obwohl da nur Gemüse und Kartoffeln und ein Hauch von Fleischgeschmack waren. Aber von richtigem Fleisch keine Spur.
Das Essen bewirkte zumindest, dass das Zittern nachließ, reichte aber bei Weitem nicht aus, um ihren Hunger zu stillen. Munroe schlitzte die Kiste auf, die sie an Bord gebracht hatte, und entdeckte ein Sortiment an verschiedenen Desserts. Obwohl ihr klar war, dass sie später einen Preis dafür bezahlen würde, dass sie ihren nach Nahrung lechzenden Körper mit Zucker zugeschüttet hatte, aß sie mehrere Portionen davon auf.
Auf den langsam nachlassenden Hunger folgte die Erschöpfung. Sie saß in der dunklen, warmen Kammer und kämpfte gegen die Müdigkeit an, wollte wach und aufmerksam bleiben. Einen Albtraum konnte sie jetzt nicht gebrauchen. Nicht das auch noch. Außerdem … wenn sie jetzt einschlief, so ausgelaugt, wie sie war, ließ sich nicht einmal ausschließen, dass sie die Landung am anderen Ufer verschlief.
Das Dröhnen der Schiffsmotoren war die Melodie und das Schaukeln der Rhythmus. Trotz Munroes Widerspenstigkeit ließ ihr Körper – schläfrig, schwach und voller ungestillter Bedürfnisse – sich
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