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Mission Munroe. Die Sekte

Mission Munroe. Die Sekte

Titel: Mission Munroe. Die Sekte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taylor Stevens
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sie.
    »Natürlich nicht! Du gehst ja nicht ans Telefon, verdammt noch mal!«
    Munroe blieb neben der Tür stehen, ließ die Arme hängen, während die Wirkung des Adrenalins verflog, der Schlafmangel seinen Tribut forderte, die gequälten Mienen der kleinen Mädchen sie auf der Fahrt durch die Nacht anstarrten. All diese widerstreitenden Gefühle prallten in ihrem Inneren aufeinander, vermengten sich zu einer explosiven Mischung, kochten an die Oberfläche und führten zu einem emotionalen Ausbruch, wie er bei ihr nur sehr selten vorkam.
    Als Bradford, der im Lauf seiner immer lauter vorgetragenen Belehrungen angefangen hatte, auf und ab zu gehen, ihre Tränen sah, blieb er wie angewurzelt stehen. Er wirkte verwirrt und ratlos, ganz so, als wüsste er nicht, ob er stehen bleiben oder zu ihr gehen und versuchen sollte, sie zu trösten. »Oh Gott, Michael«, flüsterte er. »Was ist denn bloß passiert?«
    »Ich erzähle dir alles, später«, erwiderte sie mit brechender Stimme. »Versprochen.«
    Bradford trat zu ihr, und sie lehnte sich an ihn. Er hielt sie fest, bis ihre Tränen getrocknet und ihre Schutzschilde wieder intakt waren, bis sie das Geschehene genauso ausblenden konnte wie alles andere auch.
    »Du musst unbedingt schlafen«, sagte er.
    Sie seufzte.
    »Du bist schon viel zu lange wach«, fuhr er fort. »Wenn du nur noch auf dem Zahnfleisch kriechst, hilfst du niemandem. Nicht Logan. Nicht Hannah. Nicht dir selbst und ganz bestimmt nicht mir. Sieh doch.« Er deutete auf seinen Kopf. »Grau, grau, grau. Ein graues Haar für jeden Tag, den ich dich kenne.«
    Mit seinem Versuch, witzig zu sein, löste sich die Anspannung. Sie legte den Kopf in den Nacken und sah ihm
in die Augen. »Wenn ich Albträume bekomme, nehme ich das Kodein«, sagte sie.
    Er nickte, legte seine Wange an ihre und überlegte, ob sein Gesicht genauso grimmig aussah, wie er sich fühlte. »Wenn es nicht anders geht«, sagte er.
     
    Es war nach fünf Uhr morgens, als Munroe endlich zur Ruhe kam. Wie erwartet war sie bereits wenige Sekunden, nachdem sie sich hingelegt hatte, eingeschlafen. So ausgelaugt, wie sie war, hatte ihr Körper schlicht und einfach den Betrieb eingestellt, aber Bradford wusste genauso gut wie sie, dass die Erschöpfung letztendlich keine Rolle spielte. Die Albträume würden kommen. Es war nur die Frage, wann.
    Er hatte sie ermutigt, diesen Auftrag anzunehmen, hatte gehofft, dass die Arbeit den Druck ein wenig lindern würde, dass das Chaos in ihrem Inneren sich legte und ihre Welt wieder ins Gleichgewicht kam. Das lag zwar nach wie vor im Bereich des Möglichen, aber heute würde das sicher nicht mehr passieren. Er setzte sich auf sein Bett, den Notizblock auf dem Schoß, und hob nur gelegentlich den Kopf, während er hastig Seite um Seite vollkritzelte. Es würde eine kurze Nacht werden. Wenn sie Glück hatten, bekam sie wenigstens ein paar Stunden Schlaf, bevor es unruhig wurde.
    Im Moment jedenfalls schlief sie. Damit war zumindest eines von zwei Problemen vorübergehend gelöst. Ihre Rückkehr in die Oase würde jedoch deutlich schwieriger werden.
    Bradford war mit Munroes Verhaltensmustern vertraut. Er hatte mehr als einmal miterlebt, wie mühelos sie in jede beliebige Rolle schlüpfen konnte, wenn sie eine Zielperson hinters Licht führen wollte. Aber ihre Gespräche mit
Elijah und Esteban, ihre angebliche Begeisterung für das Leben der ERWÄHLTEN und ihre Zustimmung zu ihren Glaubenssätzen gingen weit über alles hinaus, was er bisher diesbezüglich mitbekommen hatte.
    Dennoch hätte er niemals aussprechen können, was er insgeheim befürchtete: dass nämlich ihre Zustimmung nicht nur vorgetäuscht war. Sonst hätte er sich womöglich gar nicht mehr in den Griff bekommen.
    Obwohl er persönlich niemals zulassen würde, dass ein Mann sich die Frau eines anderen oder ein Kind nahm, nur um seine sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen, obwohl er sich nicht vorstellen konnte, jemandem zu gehorchen, der ihm befahl, seine eigene Familie zu verlassen und sich eine andere zu suchen, und obwohl ihm alles, was sich um Sex mit Jesus, um Gespräche mit Toten und um irgendwelche Zauberkräfte drehte, vollkommen absurd vorkam, war ihm angesichts der großen Zahl der ERWÄHLTEN eines dennoch klar: Wenn der PROPHET rief, folgten Tausende seinem Ruf.
    Bradford ahnte zumindest den Reiz, den Sog, der von der Vorstellung ausging, die eigene Autonomie aufzugeben. Entsagung war eine Form von Eskapismus, eine Flucht. Sich von der

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