Mission Munroe - Die Touristin: Thriller (German Edition)
erfahren, was passiert ist. Es tut mir so leid.« Sie streckte ihr das Blumengesteck entgegen. »Ich wollte Ihnen gerne etwas mitbringen.«
Nach einer kurzen, betretenen Stille nahm Frau Berger das Gesteck an. »Danke«, sagte sie leise. Sie blieb einfach stehen, machte weder Anstalten, die Tür zu schließen, noch Munroe hereinzubitten.
Munroe trat einen Schritt zurück. »Bitte entschuldigen Sie die Störung«, sagte sie und wandte sich zum Gehen.
»Warten Sie …« Ihre Stimme klang weich, entrückt. »Wollen Sie vielleicht ein paar Minuten hereinkommen? Vielleicht etwas Warmes trinken?«
Munroe zögerte, kratzte sich am Hals, als müsste sie erst noch überlegen, dann nickte sie und betrat das Haus. Frau Berger brachte sie in ein kleines Wohnzimmer im vorderen Teil des Erdgeschosses und zog sich dann zunächst in den hinteren Teil zurück.
Munroe setzte sich auf einen Sessel und sah sich um. Burbanks Bericht hatte den schlechten Zustand des Hauses akkurat beschrieben, das unsichtbar Offensichtliche jedoch ausgelassen. Die gesamte Einrichtung war zwar stark abgenutzt, aber makellos sauber und sehr gepflegt. Die von der Sonne gebleichten, fadenscheinigen Gardinen waren frisch gewaschen, die Fenster ohne jeden Schmutzfleck, und auf keinem der alten Möbelstücke in dem einfachen Wohnzimmer lag ein einziges Staubkörnchen. Das Sofa war erst vor Kurzem neu gepolstert worden. In einem kleinen Glaskasten war eine Sammlung altmodischer Keramikminiaturen zu sehen, und an den Wänden hingen Fotos von Christof in den ersten Lebensjahren. Seine Mutter war eine penible, stolze und unabhängige Frau. Dass man ihr Geld angeboten hatte, kam einer Beleidigung gleich.
Frischer Kaffeeduft kündigte ihre Rückkehr ins Zimmer an.
Das Gespräch plätscherte dahin, man sprach über das Wetter und die Unterschiede zwischen der Heimat und der Ferne. Munroe erkundigte sich, wie Christof als Kind gewesen war, und die Frau erzählte so lebendig und anschaulich, wie nur liebende Mütter es können.
»Das muss ein furchtbarer Schock für Sie gewesen sein«, sagte Munroe, »dass Christof sich dann so zurückgezogen hat. Ob ihm in Afrika irgendetwas zugestoßen ist?«
»Ich weiß nicht«, erwiderte die Mutter. Sie wurde still. »Ich glaube schon. Manchmal ist er nachts laut schreiend aufgewacht. Darum ist er am Anfang ja überhaupt zum Arzt gegangen, verstehen Sie, um die Alpträume loszuwerden.«
»Das wusste ich nicht«, erwiderte Munroe. »Niemand will mir verraten, warum er in der Klinik ist, bloß dass es nach dieser Afrikareise losgegangen ist. Anscheinend ist dort irgendetwas passiert, was ihn verändert hat.«
Eine einzelne Träne quoll aus dem Auge der Mutter. »Ich weiß es nicht«, sagte sie. »Möglich wäre es. Aber er hat nie mit mir darüber gesprochen.« Sie wischte sich mit dem Fingerrücken unterhalb des Auges entlang. Munroe reichte ihr ein Taschentuch. »Vor einiger Zeit waren ein paar Männer da, die wollten mir Geld geben, wenn ich ihnen sage, wo Christof ist. Sie haben nach einem Mädchen gesucht, vielleicht seine Freundin.«
»Haben sie das Mädchen gefunden?«, wollte Munroe wissen.
»Keine Ahnung«, entgegnete sie. »Ich wollte ihr Geld nicht haben und habe sie weggeschickt. Aber ich hätte ihnen sowieso nichts sagen können. Ich weiß nichts von einem Mädchen.« Die Tränen waren jetzt zu einem gleichmäßigen Strom geworden. »Manchmal frage ich mich, ob es leichter zu ertragen wäre, wenn ich wüsste, was passiert ist.«
Munroe rutschte von ihrem Sessel auf die Sofakante neben Frau Berger und legte ihr die Hand auf die Schulter. »Vielleicht wäre es das«, sagte sie. »Ich möchte auch gerne wissen, was passiert ist. Ich will Christof helfen.« Munroe unterbrach sich kurz, dann fuhr sie fort: »Ist denn unter den Sachen, die Christof aus Afrika mitgebracht hat, kein Hinweis auf das, was er erlebt hat, zu finden?«
Die Frau schüttelte den Kopf. »Er hatte ja überhaupt nichts dabei. Nicht einmal Kleider. In einem versteckten Gürtel, den er unter der Hose getragen hat, habe ich ein paar Sachen gefunden, aber das war alles. Ich habe sie in einen Briefumschlag gesteckt.«
»Darf ich sie mal sehen?«, fragte Munroe.
Frau Berger nickte und erhob sich. Sie bat Munroe mit einer Handbewegung, ihr zu folgen, und ging die schmale Treppe hinauf in ein Zimmer auf der rechten Seite. Im Gegensatz zum Rest des Hauses war es hier staubig, die Luft abgestanden. Auf dem Boden lagen alle möglichen Sachen herum,
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