Mission Munroe - Die Touristin: Thriller (German Edition)
und auch das Bett war nicht gemacht, als hätte Christofs Mutter beschlossen, alles genauso zu lassen, wie ihr Sohn es an dem Tag, als er für immer weggegangen war, hinterlassen hatte. Vielleicht hegte sie ja in einem verborgenen Winkel ihrer Seele die Hoffnung, dass er irgendwann einmal zurückkehrte.
Frau Berger öffnete einen schmalen Kleiderschrank und holte aus einer Schublade im Inneren einen großen, braunen Briefumschlag. Den gab sie Munroe. »Da ist alles drin, was er bei sich gehabt hat.«
Die beiden Frauen setzten sich hin, Frau Berger auf die Bettkante und Munroe im Schneidersitz auf den Fußboden. Dort breitete sie den Inhalt des Briefumschlags aus: einen Reisepass, zwei Flugtickets, einen gelben Impfpass, zwei einzelne Tabletten und ein paar Papiere, so verblasst, dass sie nicht mehr zu entziffern waren.
Verblüfft starrte Munroe auf diesen Reichtum an wertvollen Informationen. Wenn es in diesem Tempo weiterging, dann hatte sie ihren Auftrag in einem Monat erledigt.
Sie griff nach den Flugtickets. Das erste war unbenutzt und auf einen Flug mit South African Airways von Johannesburg nach Frankfurt ausgestellt. Die Reisedaten und Flugnummern passten zu dem Flug, den auch Emily hätte nehmen sollen. Das zweite Ticket war zweifellos das, mit dem Christof nach Europa zurückgekehrt war, ein Air-France-Flug von Libreville nach Paris. Es war bei einem Reisebüro in Gabun gekauft worden, da war Munroe sich sicher. Wenn es nötig war, dann konnte sie mit Hilfe der IATA-Nummer die Verkaufsstelle ausfindig machen.
Der gelbe Impfpass entlockte ihr ein Lächeln. Die Ärztestempel und -unterschriften waren offenkundig gefälscht. Dieses Büchlein hatte er sich garantiert unterwegs irgendwo gekauft, um weniger Probleme an den Grenzen zu bekommen, eine Attrappe, wie sie selbst sie auch immer benutzt hatte.
Sie blätterte seinen Reisepass durch. Er war beinahe voll. Die meisten Länder, die er besucht hatte, hatten allein für das Visum eine ganze Seite in Anspruch genommen, ohne Ein- und Ausreisestempel. Munroe verlor sich in der Betrachtung der Seiten, vollzog seine Reiseroute nach, von Südafrika nach Kenia und wieder zurück, folgte der Spur der Ein- und Ausreisestempel, bis sie in Namibia landete. Sie ging langsam vor, besah sich sorgfältig jede einzelne Seite, verlor manchmal den Faden in dem ganzen Durcheinander und nahm ihn dann ein paar Seiten später wieder auf.
Erst als Frau Berger sich entschuldigte und nach unten ging, wurde ihr bewusst, wie lange sie schon hier saß.
Ab Namibia wurde es schwieriger. Der Ausreisestempel fehlte. Der Einreisestempel, der chronologisch am dichtesten an Namibia lag, war der nach Angola. Von dort ging es weiter nach Gabun und dann nach Äquatorialguinea. Außerdem gab es noch ein unbenutztes Visum für Kamerun.
Munroe schloss die Augen und fuhr mit den Fingern über die Stempelabdrücke auf Christofs Kamerun-Visum. Er hatte es nicht benutzt. Er war nach Gabun gereist, nach Äquatorialguinea und wieder zurück nach Gabun, aber nicht nach Kamerun. Wieso? Sie konnte die Antwort auf diese Frage bereits hören. Irgendwo in der Stille, da hatte sie sich versteckt.
Sie nahm die kleine Digitalkamera, die sie sich um den Hals gehängt hatte, und fotografierte jede einzelne Seite des Reisepasses, die beiden Flugtickets und dann, der Vollständigkeit halber, auch noch die Tablettenverpackung und die unleserlichen Papiere. Sie nahm eine der beiden Tabletten aus der Verpackung und steckte sie in einen kleinen Ziploc-Beutel. Selbst wenn Frau Berger es bemerken sollte, wäre sie schon längst über alle Berge.
Anschließend steckte Munroe die Sachen wieder in den Briefumschlag zurück und legte ihn in die Schublade, aus der Frau Berger ihn geholt hatte. Dann zog sie Christofs Zimmertür laut und vernehmlich ins Schloss, in der Hoffnung, dass es unten registriert wurde. Aus der Küche roch es nach frisch gebackenem Brot, und die Frau nahm sie am Fuß der Treppe in Empfang.
»Frau Berger, ich muss jetzt wieder nach Hause«, sagte Munroe. Die Frau hatte ihre Hände auf das Treppengeländer gelegt, und Munroe berührte sie leicht. »Ich weiß nicht, ob ich eine Antwort auf Ihre Fragen finden kann«, sagte sie, »aber ich verspreche Ihnen, dass ich alles tun werde, was in meiner Macht steht, um herauszufinden, was Christof in Afrika zugestoßen ist. Vielleicht hilft Ihnen das, endlich Frieden zu finden.«
Die Frau lächelte. Ihre Augen waren gerötet, und Munroe wusste, dass
Weitere Kostenlose Bücher