Mission Munroe - Die Touristin: Thriller (German Edition)
schummerig zu den Vorhängen herein. Über das Summen der Klimaanlage hinweg waren Bradfords regelmäßige Atemzüge zu hören. Sie goss ein Glas Wasser ein, kniete sich neben das Bett und beugte sich leicht nach vorne, um seinen Kopf etwas anzuheben.
Als sie ihm die Hand in den Nacken legte, packte er sie mit einer geschmeidigen und exakt bemessenen Bewegung am Handgelenk. Er zog sie dicht zu sich heran, bis ihr Gesicht nur noch wenige Zentimeter vor seinem war, und flüsterte: »Wagen Sie das noch ein einziges Mal, und ich schwöre, ich binde Ihnen eine elektronische Fußfessel um.« Sie lächelte und ließ sich entspannt gegen ihn sinken, bis er sie losließ. Sie stützte seinen Kopf und setzte das Glas an seine Lippen. Er trank in gierigen Schlucken. Als er fertig war, ließ er sich auf das Kissen sinken, die Augen einen Spalt weit geöffnet. »Warum zum Teufel haben Sie das gemacht?«
»Ich hatte was zu erledigen. Allein.«
»Das nächste Mal sagen Sie einfach Bescheid. Dann lasse ich Sie in Ruhe.«
»Okay«, erwiderte sie. »Mach ich.«
Sie stand auf und wandte sich zur Tür. »Also dann bis morgen früh«, flüsterte sie. Sobald der Riegel ins Schloss geschnappt war, brach der Tumult in ihrem Inneren los.
… Ihr aber sollt vor Herzeleid schreien und vor Jammer heulen …
Bedächtig setzte sie einen Fuß vor den anderen, schloss ihre Zimmertür auf, machte sie laut und deutlich wieder zu und schloss ab, sodass Bradford es hören musste.
… Und ihr sollt euren Namen meinen Auserwählten zum Fluch überlassen …
Sie würde heute Nacht keinen Schlaf bekommen, nicht nach dem Besuch in Kribi, nicht nach dem Tor und dem Strandhaus.
… dass dich Gott der HERR töte …
Munroe ging die Treppe hinauf bis ganz nach oben und entdeckte die Tür, die aufs Dach hinausführte.
… aber meine Knechte wird man mit einem anderen Namen nennen …
Die kühle Luft brachte Erleichterung und die Dunkelheit Trost. Sie entdeckte eine trockene Stelle, von der aus sie den Himmel sehen konnte, und legte sich auf den Rücken, das Gesicht dem Sternenmuster zugewandt, das ihr einmal so vertraut gewesen war, genau wie in jener Nacht.
Die Stimmen in ihrem Kopf nutzten die Stille und erhoben sich zu einem donnernden Crescendo: Der Pfad der Gottlosen ist der Tod .
Sie kämpfte nicht dagegen an, versuchte nicht, sie zum Schweigen zu bringen – es hätte sowieso keinen Sinn gehabt. Heute Abend waren sie stark. Heute Abend würden sie sie in Besitz nehmen, und sie würde ihrem Geist gestatten, ihnen überallhin zu folgen – letztendlich bis an jenen Ort, an dem sie ihren Ursprung hatten: der Nacht, in der sie Pieter Willem getötet hatte.
An jenem Abend hatten sie nur ein provisorisches Lager errichtet, mit schnellen Handgriffen ein paar Unterschlüpfe gebaut. Es war eine unauffällige Stelle gewesen, direkt am Wasser und dicht bei den Booten, die versteckt in den Mangrovensümpfen unweit des Nebenflusses lagen, der sie bis zum Muni-Fluss bringen sollte. Sie waren insgesamt zu sechst und hatten ihre reetgedeckten Unterstände in unregelmäßigen Abständen auf der Lichtung verteilt. Der Plan lautete, bis zur Übergabe zu bleiben und anschließend in Franciscos Haus in Kribi auf die nächste Lieferung zu warten.
Sie hatte Stimmen gehört und war näher geschlichen, um zu lauschen. Francisco und Pieter stritten sich. Die Dämmerung war schon angebrochen, und in weniger als einer Stunde würde es stockfinster sein. Sie konnte den aufkommenden Sturm bereits riechen, die Luftveränderung spüren. Sobald es anfing zu regnen, würde sie kein Wort mehr verstehen, und so kroch sie auf allen vieren näher, bis sie sich an die wackeligen Wände lehnen konnte, die Franciscos Unterschlupf zusammenhielten.
Es war eigentlich ein gutes Leben gewesen, bis vor zweieinhalb Jahren, als Jean Noel und sein Söldner-Kumpel Pieter Willem zum Team gestoßen waren. Jean war gar nicht so übel – er sah sie als das, was sie war: ein gerade mal fünfzehn Jahre altes Mädchen mitten im Dschungel. Eigentlich war sie hier vollkommen fehl am Platz, aber sie war ein notwendiger Bestandteil der Arbeit. Er war nett zu ihr, auf seine Art und Weise. Wenn er nicht arbeiten musste, brachte er ihr bei, wie man Seile und Knoten machte, Fallen stellte, Pfeile vergiftete und lautlos in der Dunkelheit jagen konnte. Außerdem zeigte er ihr, wie man mit einer Pistole umgeht. Aber Pieter brachte ihr bei, wie man tötet.
Pieter war nicht groß, doch seine Muskeln waren
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