Mission Munroe - Die Touristin: Thriller (German Edition)
Hoffnung, dass Francisco ihren Bitten nachgab. Doch sie hatte keinen Erfolg. So musste sie sich irgendwann entscheiden, musste abwägen zwischen der Wahrheit und dem Risiko … und entschied sich für das Leben.
Irgendwann genügten Pieter die Sparringkämpfe nicht mehr. Er begann, ihr in der Umgebung des Lagers aufzulauern. Sie wusste nie, von welchem Gebäude, welchem Baum, welchem Felsen aus er sie angreifen würde. Er schien seinen Spaß daran zu haben, sich immer neue Möglichkeiten auszudenken, wie er sie zu Tode erschrecken konnte. Sie fand nirgendwo mehr Trost oder Frieden, ihr ganzes Leben war ein Tanz auf der Rasierklinge.
Wenn sie nicht gerade schlief, kreisten ihre Gedanken nur um ein Ziel: sich irgendwie von Pieter fernzuhalten. In Gegenwart anderer fühlte sie sich immer ein wenig sicherer. Wenn Francisco da war, wich sie ihm nicht von der Seite, und wenn er nicht da war, dann hielt sie sich dicht bei Jean Noel. Sie konnte fühlen, wie Pieter auf sie lauerte, und wenn er einen ihrer Blicke auffing, während sie in der schützenden Gegenwart der anderen war, dann warf er ihr ein süßes, sadistisches Lächeln zu. Wenn sie ihm tagsüber entkommen war, dann kam er nachts zu ihr, weswegen sie sich angewöhnte, nicht im Lager zu übernachten, sondern sich irgendein Versteck zu suchen. Je mehr sie lernte, sich ihm zu entziehen, desto größeren Spaß schien es ihm zu machen, sie aufzuspüren. Je wilder sie kämpfte, desto erbarmungsloser schlug er zurück.
Die Hände als Schraubstock um ihren Hals gelegt zog er ihr die flache Seite seines Messers über die Wange, demütigte sie, so sehr er nur konnte. Er zog sie so dicht zu sich heran, dass sie seinen Blicken nicht mehr ausweichen konnte, und dann lachte er.
»Du wirst nie so stark oder so schnell sein wie ich, Essa«, spie er ihr ins Gesicht. »Du hast keine Chance.«
Sie wusste nicht, wie alt er war oder wie lange er schon eine Söldnerexistenz führte. Sie wusste auch nicht, ob sein Sadismus eine Begleiterscheinung seiner Arbeit war. Er erzählte von Putschversuchen, von Mord und Totschlag. Bei allem, was er sagte, blieb ihr ein Hauch von Zweifel zurück, nur in einem Punkt nicht: dass er ein Killer war.
Entspannen konnte sie sich nur, wenn sie in Kribi oder Douala Nachschub besorgen mussten oder eine Auslieferung anstand. Nach Kribi nahmen sie nie die Schnellboote mit, sondern immer nur Franciscos Kutter. Und bei einer Auslieferung, während der zwei, drei Tage, die die Fahrt oder der Fußmarsch durch den unwegsamen Dschungel in Anspruch nahm, erledigte sie ganz auf sich allein gestellt ihre Arbeit. Aber wenn das vorbei war, dann wurde die Quälerei jedes Mal noch schlimmer als zuvor.
Eine Flucht war unmöglich, das wusste sie, und so lebte sie allein von ihren Rachegedanken. Als sie den Streit zwischen Francisco und Pieter mitbekam, keimte Hoffnung in ihr auf. Vielleicht würde Pieter das Team ja verlassen.
Bei diesem Gedanken verschlug es ihr den Atem. Ihre Kehle war wie zugeschnürt, und sie bekam nur unter größter Anstrengung noch Luft.
Was, wenn Pieter sie zwingen würde, mitzukommen? Das war keineswegs ausgeschlossen. Ihre Hände begannen zu zittern, und ihre Gedanken überschlugen sich. Pieter bedeutete sie absolut nichts. Wenn es ihm passte, würde er sie genauso leichten Herzens über Bord werfen, wie er sie vergewaltigte. Francisco hingegen bedeutete sie sehr viel. Darum war es denkbar, dass Pieter sie aus reiner Boshaftigkeit mit sich nahm. Der Streit wurde lauter, die beiden brüllten sich an.
Und dann stürmte Pieter aus Franciscos Hütte und steuerte den Mangrovensumpf an, in dem die Boote lagen. Es war fast schon dunkel, und der Wind wehte jetzt stärker, der Donner kam näher, der Regen war nicht mehr weit.
Sie dachte nicht nach, handelte automatisch. Ging zu ihrem Nachtlager und zu dem Betäubungsgewehr, das niemand gebrauchen konnte und das Noel ihr deswegen überlassen hatte. Sie kannte die Wege genauso gut wie Pieter, wenn nicht sogar besser. Sie schlug einen Bogen, watete barfuß durch den Schlamm, hielt ausreichend Abstand und folgte seinen Spuren, hellwach, achtete nicht nur auf Pieter, sondern auch auf die Umgebung. Das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte, war eine Begegnung mit einer Mamba oder einer der anderen giftigen Kreaturen, die das Tiefland verseuchten. Sie musste einen perfekten Treffer landen, konnte nicht riskieren, ihm zu nahe zu kommen. Er war schneller und stärker als sie. Falls sie ihn verfehlte,
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