Mission Munroe - Die Touristin: Thriller (German Edition)
ein privates Badezimmer. Die Kabine wurde regelmäßig bewohnt, das war offensichtlich, trotzdem strahlte sie eine gewisse Sterilität aus. Beyards pedantischer Charakter ließ sich auch hier nicht verleugnen. In die eine Wand war ein Bücherregal eingelassen, das vom Boden bis zur Decke reichte. Darin standen die unterschiedlichsten Werke, die das gesamte Spektrum von intellektuell bis trivial abdeckten. In einer Nische, die allem Anschein nach speziell dafür angefertigt worden war, befand sich ein Schachbrett aus Marmor. Munroe warf einen Blick auf das angefangene Spiel. Als sie eine der Figuren in die Hand nahm, stellte sie fest, dass unter jeder ein schmuddeliges Stück Klebeband befestigt war. So blieben sie trotz des ständigen Auf und Ab des Schiffes immer an ihrem Platz. Sie analysierte die Position, stellte sich unter die Dusche und legte sich auf sein Bett. Zum zweiten Mal hintereinander schlief sie in den Kleidern, die sie am Leib trug. Irgendwann bekam sie fast unbewusst mit, dass er die Kabine betrat und sich neben sie legte, dann fiel sie wieder in Schlaf.
Am nächsten Abend trieben sie in den Gewässern vor der nigerianischen Küste, auf einer vom GPS genau bestimmten Position. Die Bordbeleuchtung war abgeschaltet, die Maschinen stumm, und mit der an Bord befindlichen Feuerkraft hätte sich ohne weiteres ein kleiner Krieg gewinnen lassen. Versteckt auf dem Dach des Cockpits lag Lupo, der Rumäne, ein Scharfschützengewehr mit Schalldämpfer im Anschlag. Die restliche Besatzung hatte sich auf dem Schiff verteilt. Alle waren mit Kevlarwesten und Maschinenpistolen ausgerüstet. Dichte Wolken bedeckten den Himmel, weder Mond noch Sterne waren zu erkennen. Zehn Minuten nach zwei blitzte eine Lampe am Horizont auf, und etliche Minuten später drangen Motorengeräusche über das Wasser.
Beyard stand im Bug. Er blickte dem näher kommenden Schiff entgegen, und Munroe stand ein Stück entfernt hinter ihm. Genau das war ihre Position, der beobachtende, stumme Schatten. Beyard war nur als Umriss zu erkennen, groß, breitschultrig, eine Silhouette in die Nacht geschmiegt, ein Mann, der alles im Griff hatte, der sich seiner selbst und seiner Umgebung sicher war. Sie wusste, dass er jetzt voll und ganz mit strategischen Überlegungen beschäftigt war, sich ausschließlich auf das riesige Schachbrett des wirklichen Lebens konzentrierte. Sie kannte dieses Gefühl, hinter ihm zu stehen und ihn bewundernd anzuschauen, noch von früher, doch das, was sie außer Bewunderung noch empfand, damit hatte sie nicht gerechnet. In Beyards Selbstbewusstsein lag eine Kraft, eine Stärke, die sich nicht imitieren ließ, und sie fühlte sich von dieser Kraft angezogen.
Das andere Schiff ragte als undeutlicher Schatten aus den düsteren Wogen hervor. Es war kleiner als der Kutter, aber auch schlanker und ohne Zweifel schneller. Munroe sah ein Schlauchboot mit Außenborder und fünf Mann Besatzung näher kommen. Sie wartete, bis sie das Ausmaß ihrer Bewaffnung in etwa einschätzen konnte, aber als der Erste die Sprossen der Leiter emporkletterte, zog sie sich in den Schatten zurück. Drei der fünf Männer aus dem Zodiac kamen an Bord, und Beyard ging ihnen entgegen.
Der Anführer war eine kleine, untersetzte Gestalt in Kampfmontur. Seine Männer standen wortlos an Deck, während er auf Beyard zuging und ihn mit einem kräftigen Händedruck begrüßte, der wohl als Ausdruck verschwörerischer Kameraderie gedacht war. Er überreichte Beyard einen Aktenkoffer, und die Verhandlungen verliefen locker und ungezwungen. Das Englisch des Kommandanten war perfekt, ohne die geringste Andeutung eines Akzents, und stand somit im scharfen Gegensatz zu Beyards Aussprache.
Der Wind erstickte den Klang ihrer Stimmen, und Munroe konzentrierte sich auf die Besatzung des Kutters, vergegenwärtigte sich ihre Positionen jeweils im Verhältnis zu den anderen. Sie schob sich um ein Geländer an der Schiffsseite herum und hörte im selben Augenblick das leise, fast unhörbare Sirren eines Elektromotors. Sie warf einen Blick zu Beyard hinüber, der zustimmend nickend in den geöffneten Aktenkoffer schaute, dann hinauf zu Lupo, der unsichtbar auf dem Dach des Cockpits lauerte.
Der Elektromotor verstummte. Munroe wandte sich zur Leiter, sah, dass die Männer des Kommandanten nicht mehr an ihrem Platz standen, und im selben Moment durchbrach eine Feuersalve die Stille.
Sie ließ sich auf alle viere fallen, und der erste Adrenalinstoß pulsierte durch
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