Mission Munroe - Die Touristin: Thriller (German Edition)
sie eine Zeitlang schweigend da, bis Wheal aufstand und sich an den Reglern der Steuerkonsole zu schaffen machte. »Stimmt es eigentlich, was man sich über dich erzählt?«, fragte er. »Dass du für die Einheimischen so eine Art Göttin bist?«
Munroe lachte und erwiderte: »Nein, das stimmt nicht.«
»Dann ist das also bloß dummes Geschwätz, was sich einer ausgedacht hat?«
»Ganz so auch wieder nicht. Sie glauben, dass ich eine mächtige Hexe bin, und haben wahnsinnige Angst vor dem Juju.« Sie zuckte mit den Schultern. »Ich spreche ihre Sprachen, kenne mich mit den unterschiedlichen Kulturen aus und verstehe auch das Unausgesprochene, die Hintergründe ihrer Handlungen. So entstehen Legenden. Man kann es ihnen ja nicht einmal übelnehmen, wenn man sieht, wie verbreitet der Aberglaube hier noch ist. Scheiße, zum Teil gibt es ja vereinzelt sogar noch richtige Menschenopfer.«
»Du und Beyard«, sagte Wheal, »ihr wart mal ganz schön eng befreundet, oder?«
»Ja, waren wir.« Sie zog die Beine eng an ihren Körper. »Hat er dir viel erzählt?«
»Er spricht immer nur von dir, wenn er betrunken ist, aber ich bin jetzt sieben Jahre lang mit ihm unterwegs. Mittlerweile kann ich mir auf das ganze Gefasel einen Reim machen. Und, um ehrlich zu sein, ich finde deine Gegenwart ziemlich beunruhigend.«
»Hältst du mich für gefährlich?«
Er ließ ein blitzendes Grinsen sehen. »Nicht einmal dann, wenn alle Geschichten, die ich gehört habe, wahr wären.«
Sie verdrehte die Augen. »Was sie vermutlich nicht sind.« Dann blickte sie ihm einen Augenblick lang tief in die Augen und sagte: »Also, was ist es dann?«
Achselzuckend wandte er sich ab. »Ich passe bloß auf, dass ihm nichts passiert. Und mir auch nicht. Wir haben hier ein gutes Ding am Laufen. Mach uns das nicht kaputt.«
»Glaubst du, dass ich das könnte?«
»Ich weiß es«, entgegnete er. »Francisco macht das alles ja nicht zum Spaß, sondern weil er ein verflucht guter Stratege ist, so was wie ein Naturtalent.« Er warf ihr einen Blick zu. »Aber wenn du in der Nähe bist, dann denkt er nicht an den nächsten Job, sondern an dich. Und das ist für mich ein Problem.«
Sie stand auf. »Das kann ich nachvollziehen. Im umgekehrten Fall würde ich es wahrscheinlich genauso sehen.« Sie legte die Hand an die Türklinke. »Du bist einer von den Guten, Wheal. Und falls es dich tröstet: Ich bin froh, dass Francisco dich gefunden hat.«
Auf der Wanduhr in der Kombüse war es schon nach Mitternacht. Munroe konnte nicht schlafen, trotz des gleichmäßigen Geschaukels des Schiffes und des Brummens der Maschinen. Zu viele Erinnerungen prallten auf zu viele zusammenhanglose Puzzleteilchen. Sie schenkte sich eine Tasse Kaffee ein und dann, ohne darüber nachzudenken, noch eine für denjenigen, der im Cockpit gerade Dienst hatte.
Sie klopfte an, und als Beyard »Herein« sagte, zögerte sie, überlegte kurz und trat ein. Sie reichte ihm die Tasse. »Ich kriege kein Auge zu«, sagte sie. »Da dachte ich, dass der, der hier oben steht, vielleicht froh ist, wenn ich ihm Gesellschaft leiste.«
Er nahm die Tasse, stellte sie auf einen schmalen Sims und drückte ihr die Hand. »Schön, dass du da bist«, sagte er. »Ich hab gerade an dich gedacht.«
»Woran denn?«
Die Stille wurde nur von den regelmäßigen Piepsgeräuschen des Radargerätes unterbrochen. Beyard warf einen Blick auf die Steuerkonsole, stand auf, nahm ihr den Kaffeebecher aus der Hand und stellte ihn neben seinen auf den Sims. Dann schlang er ihr den Arm um die Hüfte, zog sie an sich und fuhr ihr mit der Fingerspitze den Hals entlang. Seine Lippen streiften die ihren. »Ich hab einfach nur an dich gedacht«, flüsterte er. Seine Lippen kamen näher, seine Hände in ihrem Nacken, seine Finger in ihren Haaren. Er roch nach Salz und Meer, so vertraut. Sie folgte seinen Blicken, die sich an den Formen ihres Körpers entlangtasteten. Und dann küsste er sie sanft, zögerte, zog sie erneut an seine Lippen. Seine Küsse waren tief, leidenschaftlich. Seine Hände fuhren über ihre Schulterblätter, ihren Hals, ihre Wirbelsäule entlang.
Sie wehrte sich nicht, kam ihm aber auch nicht entgegen. Nach alldem, was er im Schiffsflur zu ihr gesagt hatte, wusste sie, woher das kam, aber sie hatte noch nicht überlegt, wie sie darauf reagieren sollte und wie sie das alles für sich nutzen konnte. Francisco machte sich an ihren Hemdknöpfen zu schaffen, dann hielt er inne und wich ein Stück zurück.
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