Mission Vendetta: Thriller (German Edition)
gedieh nur in besonders geschützten Tälern. Dort wuchsen vor allem knorrige Kiefern und Fichten, die genügsam und widerstandsfähig genug waren, in einer solch widrigen Umgebung zu überleben.
Es war eine windgepeitschte, öde Landschaft, die vollkommen menschenleer war. Bis zum Horizont war kein einziges Licht zu sehen, mit Ausnahme des schlichten, viereckigen Gefängniskomplexes, der wie ein Leuchtfeuer in der Dunkelheit glühte. Man konnte ihn unmöglich verfehlen.
»Ich sehe es auch«, bestätigte Drake und überprüfte erneut sein GPS : noch drei Meilen. »Wir sind ganz nah. Bleibt dicht zusammen.«
Die abweisenden Mauern des Gefängnisses kamen ebenso wie der Boden langsam näher. Sie flogen mit fast zwanzig Knoten pro Stunde, aber je tiefer sie sanken, desto mehr nahm ihre Geschwindigkeit ab. Drake konnte nur beten, dass sie genügte, um sie über die Mauern zu bringen.
Er überprüfte erneut die Anzeigen: noch zwei Meilen, 2100 Fuß, und sie sanken schnell.
Khatyrgan hatte schon auf den Satellitenfotos abweisend und brutal gewirkt, aber als er das Bauwerk jetzt mit eigenen Augen sah, schüchterte es ihn geradezu ein. Die finsteren Betonmauern schienen aus dem gefrorenen Boden zu wachsen. Sie wiesen weder Fenster noch irgendwelche sonstigen Merkmale auf. An den vier Ecken des Bauwerks standen gedrungene viereckige Wachtürme. Sie wirkten eher wie Burgfriede als wie Wachtürme und hatten große Panoramafenster auf den Beobachtungsplattformen an den Spitzen.
Innerhalb der abweisenden Mauern sah er den Gefängnishof; ein schlammiger, verschneiter Flecken Erde, der von verschiedenen Flutlichtstrahlern ausgeleuchtet wurde. Wer das Pech hatte, dort zu landen, konnte sich keine Hoffnung machen zu überleben.
»Eine Meile bis zum Ziel«, sagte er über Funk nach einem kurzen Blick auf die Anzeigen. »Höhe 900 Fuß.«
Himmel, das wurde eng.
»Tango gesichtet«, meldete Keegan. Seine Stimme klang ruhig und gelassen. »Ein Tango. Turm Nordost.«
Drakes Herz schlug schneller. Also war mindestens einer der Wachtürme besetzt. Er richtete seinen Blick darauf und nahm die Gestalt eines Mannes in der Beobachtungsplattform wahr. Er war zwar noch zu weit entfernt, dass Drake Details hätte erkennen können, aber zweifelsfrei befand sich jemand dort oben.
»Ich sehe ihn. Haben Sie freie Schussbahn?«, erkundigte er sich.
Keegan zögerte nur einen winzigen Moment. »Roger. Ziel erfasst.«
Drake drehte sich zu dem erfahrenen Scharfschützen herum, aber Keegan war hinter und über ihm. Drakes eigener Gleitschirm blockierte die Sicht.
Er brauchte ihn gar nicht zu sehen. Er konnte sich vorstellen, wie Keegan sein Gewehr aus dem Halfter vor seiner Brust zog, Magazin und Mechanismus überprüfte, es ansetzte, durch das Zielfernrohr sah, Wind und Bewegung ausglich und …
»Feuer, Feuer, Feuer.«
Drake sah weder den Mündungsblitz, noch hörte er das dumpfe Ploppen des Schalldämpfers. Sein Blick war auf den Wachturm konzentriert.
Eine Sekunde später zerbarst das Glasfenster vor dem Wachposten, und Blutspritzer bedeckten die Wand hinter ihm. Die 7.62-Projektile hatten den Mann sofort getötet. Er verschwand aus ihrem Blickfeld, ohne dass er gewusst hätte, was ihn da getroffen hatte.
Das war alles. Ebenso einfach, als würde man auf einen Knopf drücken.
»Tango erledigt«, meldete Keegan. Seine Stimme klang so teilnahmslos wie die einer Maschine. Wie locker und entspannt er sich auch im Alltag gab, wenn es um seinen Job ging, verstand er keinerlei Spaß. »Die anderen Türme sind offenbar nicht besetzt.«
Drake hatte sich so sehr auf das Drama konzentriert, das sich in dem Wachturm vor ihm abspielte, dass er ihren Sinkflug fast vergessen hatte. Der Höhenmesser zeigte an, dass sie mittlerweile auf 200 Fuß gesunken waren, und die düsteren Mauern des Gefängnisses tauchten drohend unter ihm auf.
»Wir sind da!«, sagte er über Funk. »Achtung! Fertig machen zur Landung!«
Mehr konnte er nicht tun. Jetzt war jeder auf sich allein gestellt.
Er beobachtete, wie die Nordmauer des Gefängnisses unter ihm vorbeirauschte und ihm einen ungehinderten Blick auf den hell erleuchteten Gefängnishof gewährte. Zahllose Reihen von grimmigen vergitterten Fenstern blickten auf den Hof hinaus, aber er achtete nicht darauf.
Der Südblock raste auf ihn zu, aber er war schon ziemlich tief. Normalerweise hätte er am Seil gezogen und den Gleitschirm flattern lassen, um langsamer zu werden, aber in diesem Fall blieb ihm keine
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