Mission Walhalla
Nazi-Konzentrationslagers – eines von fast hundert Außenlagern von Flossenbürg. Wir hatten angenommen, dass alle deutschen KZ s geschlossen worden waren, daher war es ein Schock, als wir sahen, dass dieses hier noch immer geöffnet und betriebsbereit war. Aber uns erwartete ein noch größerer Schock.
Im KZ Johanngeorgenstadt schufteten bereits fast zweihundert deutsche
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, und sie sahen schlecht aus, selbst für sowjetische Haftbedingungen. Der ranghöchste deutsche Offizier, SS -Obergruppenführer Klause, erklärte uns gleich, woran das lag.
«Männer, es tut mir leid, euch hier zu sehen», sagte er. «Ich wünschte, ich könnte euch frohen Herzens in der Heimat begrüßen, aber das kann ich leider nicht. Falls jemand von euch das Erzgebirge kennt, wird er wissen, dass die Gegend reich an Pechblende ist. Daraus wird Uran gewonnen. Uran ist radioaktiv und wird für verschiedene Zwecke eingesetzt, aber die Russen sind nur an einer Einsatzmöglichkeit interessiert. Für das sowjetische Atombombenprojekt werden große Mengen Uran benötigt, und ich kann ohne Übertreibung sagen, dass die Entwicklung einer derartigen Waffe für sie höchste Priorität hat. Auf jeden Fall wesentlich höhere Priorität als eure Gesundheit.
Wir wissen nicht, welche Auswirkungen ein andauernder Kontakt mit unverarbeiteter Pechblende auf den menschlichen Körper hat, aber ihr könnt davon ausgehen, dass es keine positiven sind. Erstens ist Marie Curie, die das Zeug entdeckt hat, an den Spätfolgen gestorben; und zweitens kommen die Blauen nur dann runter in den Grubenschacht, wenn sie unbedingt müssen, und immer nur ganz kurz und mit aufgesetzten Schutzmasken. Also, wenn ihr unten seid, bindet euch ein Taschentuch vor Nase und Mund.
Positiv ist, dass wir hier gut und reichlich zu essen kriegen und sich Brutalitäten seitens der Blauen in Grenzen halten. Die sanitären Anlagen sind gut in Schuss – schließlich war das hier ein deutsches Lager, ehe es ein russisches wurde –, und wir haben einen Tag in der Woche frei. Aber nur, weil sie da die Förderanlage und den Gaswert überprüfen müssen. Radongas, wie man mir gesagt hat. Farblos, geruchlos, viel mehr weiß ich nicht darüber, nur dass es ganz bestimmt auch gefährlich ist. Tut mir leid, das ist ein weiterer Nachteil. Und da wir wieder bei der Kehrseite sind, kann ich gleich hinzufügen, dass der NKWD in diesem Lager etliche Deutsche beschäftigt, die Männer für eine neue Volkspolizei rekrutieren sollen. Eine Geheimpolizei, die sie in der Sowjetzone des besetzten Deutschlands aufbauen wollen. Sie soll als deutscher Arm des NKWD fungieren. Der Alliierte Kontrollrat hat die Gründung einer solchen Polizeitruppe untersagt, aber das heißt nicht, dass sie es nicht trotzdem machen. Heimlich. Aber es wird ihnen nicht gelingen, wenn sie nicht die erforderlichen Leute dafür finden, also passt auf, was ihr sagt und tut, denn die werden euch ganz bestimmt ausführlich befragen. Verstanden? Ich will keine Überläufer unter meinem Kommando. Diese Deutschen, die hier im Lager für den Iwan arbeiten, sind Kommunisten. Kommunistische Veteranen aus der alten KPD . Gegen die wir gekämpft haben. Die hässlichste Seite des europäischen Bolschewismus. Es kann gut sein, dass diejenigen unter euch, die an der Wahrheit unserer nationalsozialistischen Sache gezweifelt haben, hier erkennen, dass ihr euch geirrt habt, nicht der Führer. Denkt an meine Worte und nehmt euch in Acht.»
Ich zählte zu den Glücklichen, die nicht sofort runter in den Schacht mussten. Stattdessen kam ich zu den Sortierern. Waggonladungen Gestein wurden nach oben gebracht und auf ein großes Fließband gekippt, das zwischen zwei Reihen
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verlief. Man zeigte mir, wie ich die bräunlich-schwarzen Brocken nach Adern der kostbaren Pechblende absuchen musste. Steine ohne Adern wurden weggeworfen, die anderen nach Augenmaß eingestuft und in Behälter geworfen, wo sie ein Blauer, der ein Metallrohr mit einem Glimmerfenster an einem Ende in der Hand hielt, näher inspizierte: Je höher die Qualität des Erzes, desto stärker war der elektrische Strom, den das Rohr mit einem Rauschgeräusch anzeigte. Die Steine besserer Qualität wurden zur Weiterverarbeitung nach Russland gebracht, aber die verwertbaren Mengen waren gering. Es wurde tonnenweise Gestein benötigt, um eine kleine Menge Pechblende-Erz zu gewinnen, und keiner der Männer, die im Bergwerk Johanngeorgenstadt arbeiteten, glaubte daran, dass die Russen
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