Mission Walhalla
meinem Brief bekannt, den Elisabeth ihm überbracht hatte: dass die CIA mir eingetrichtert hatte, dem französischen SDECE zu verkaufen, Mielke wäre zuerst ein Spion für die Nazis gewesen und dann ein Spion für die CIA , und die Franzosen gleichzeitig auf die Idee zu bringen, ich könnte einen französischen Verräter namens Edgard de Boudel identifizieren, der für die Viet-Minh in Indochina gearbeitet hatte. Aber ich sprach das Thema vor allen Dingen deshalb nochmal an, um ein paar Fragen zu klären, die mir keine Ruhe ließen.
«Die Amis glaubten, im französischen Geheimdienst hätte sich ein kommunistischer Spion eingenistet und er würde eher glauben, was ich ihnen über Ihr doppeltes Spiel erzählt hatte, wenn ich meine Glaubwürdigkeit bewies, indem ich Edgard de Boudel bei seiner Ankunft als Heimkehrer aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft identifizierte.»
«Aber dann ließen die Amis den Plan fallen, als Sie von Ihrer Idee erzählten, wie sie mich zu fassen kriegen könnten», sagte Mielke. «Lieg ich da richtig?»
Ich nickte. «Womit Ihr Ruf wahrscheinlich unangekratzt bleibt.»
«Das wollen wir hoffen, was?»
«Gibt es wirklich einen Spion im Zentrum des französischen Geheimdienstes?»
«Nicht nur einen», gab Mielke zu. «Sie könnten genauso gut fragen, ob es Kommunisten in Frankreich gibt. Oder ob Edgard de Boudel wirklich für die SS und dann für die Viet-Minh gekämpft hat.»
«Und hat er?»
«Oh ja. Und bestimmt haben die Amerikaner den Franzosen inzwischen alles über ihn erzählt. Irgendwer in der Org – Gehlens neuer Geheimdienstorganisation – muss es ihnen gesteckt haben. Jammerschade. Wissen Sie, wir hatten eine Abmachung mit der Org und mit Kanzler Adenauer. Dass die Bundesregierung Edgard de Boudel zurück nach Deutschland kommen lässt, wenn wir dafür einen unserer Leute zurückbekommen. De Boudel hat nämlich Krebs, unheilbar, und ist mehr oder weniger ans Bett gefesselt. Aber der arme Bursche wollte in seiner Heimat Frankreich sterben, und die beste Lösung schien die zu sein, ihn als Heimkehrer nach Deutschland zu schaffen und dann still und heimlich nach Frankreich zu bringen, ohne dass irgendwer Einwände erhebt.»
«Die CIA und Gehlens Org sind sich nicht besonders grün», sagte ich.
«Könnte man so sagen.»
«Der deutsche Sohn hat seinem amerikanischen Vater offenbar den Rücken gekehrt.»
«In der Tat, ja», sagte Mielke. «Apropos, Vater. Es ist schon seltsam, aber Sie und Elisabeth sind so ziemlich die Einzigen, die überhaupt von meinem Vater wissen. Deshalb war das ein richtiger Geniestreich von Ihnen, mein Freund. Denn zufälligerweise stimmt eine ganze Menge von dem, was Sie sich ausgedacht hatten. Wir sehen einander nicht mehr besonders häufig.»
«Lebt er im Osten?»
«In Potsdam. Aber er jammert ständig. Schon verrückt, dass Ihre Idee, ihn zurück nach Westberlin kommen zu lassen, gar nicht so weit von der Wahrheit entfernt ist. Andererseits sind Sie Berliner. Sie wissen, wie so was läuft. ‹In Potsdam hab ich keine Freunde›, sagt er. Das beklagt er am meisten. ‹Hör mal, Papa›, sage ich dann, du kannst jederzeit nach Westberlin, deine Freunde besuchen und wieder nach Hause kommen.› Übrigens, seine Freunde, die haben gedacht, ich wäre tot. Damals, 1937, habe ich meinem Vater gesagt, er soll ihnen das erzählen. Ich sage: ‹Besuch deine Freunde in aller Stille im Westen und lebe dein Leben in aller Stille im Osten.› Schließlich hindert ihn keine Mauer daran. Schön, seit die innerdeutsche Grenze dicht ist, befürchtet er, dass er auf der falschen Seite eingesperrt bleiben könnte. Es ist schwierig, mit ihm auszukommen.» Mielke seufzte. «Auch aus anderen Gründen. Das Übliche zwischen Vätern und Söhnen. Lebt Ihr alter Herr noch?»
«Nein.»
«Sind Sie gut mit ihm klargekommen?»
«Nein.» Ich lächelte traurig. «Das haben wir nie geschafft.»
«Dann wissen Sie ja, wie das ist. Mein Vater ist ein deutscher Kommunist der alten Schule, und Sie können mir glauben, das sind die schlimmsten. Der Arbeiteraufstand letztes Jahr, das ist ihm richtig an die Nieren gegangen. Unruhestifter, die meisten von denen. Ein paar Konterrevolutionäre dabei. Und auch Provokateure von der CIA . Aber mein Vater hat das ganz anders gesehen. Da wir gerade so ehrlich zueinander sind: Eines begreife ich einfach nicht.»
«Was denn?»
«Warum Sie das gemacht haben. Warum Sie sie verraten haben. An mich. Schließlich sind Sie genauso wenig
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