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Mister Aufziehvogel

Mister Aufziehvogel

Titel: Mister Aufziehvogel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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stellte sich als harmlos heraus. Das war das erste Mal, daß ich zum Arzt gegangen bin, solange ich in dem Haus wohnte - und das letzte. Meine Krankenkasse sollte mir Rabatt geben!«
    »Also keinerlei schlechte Erinnerungen an das Haus?«
    »Nö, überhaupt keine«, sagte mein Onkel, nachdem er einen Augenblick lang nachgedacht hatte. »Aber was ist denn auf einmal los?«
    »Ach, nichts eigentlich«, sagte ich. »Kumiko war neulich bei einer Wahrsagerin, und die hat ihr anscheinend die Ohren über das Haus vollgeredet - daß es Unglück bringen soll und solche Sachen«, log ich. »Ich halte das zwar für Unfug, aber ich hab versprochen, dich danach zu fragen.«
    »Hmm. Wie heißt das noch mal? ›Haus-Physiognomik‹? Ich hab von solchen Dingen keine Ahnung. Aber ich hab in dem Haus gewohnt, und mein Eindruck ist, daß es sauber ist, da ist alles in Ordnung. Mit Miyawakis Haus ist es natürlich eine andere Geschichte, aber eures ist ja ein ganzes Stück davon entfernt.«
    »Was für Leute haben denn hier gewohnt, nachdem du ausgezogen bist?«
    »Laß mich mal nachdenken: Nach mir hat drei Jahre lang ein Oberschullehrer mit seiner Familie da gewohnt, und dann fünf Jahre lang ein junges Paar. Er hat irgendein Unternehmen gehabt, aber ich weiß nicht mehr, was für eines. Ich kann nicht beschwören, daß jeder in dem Haus glücklich und zufrieden gewesen ist: um die Verwaltung hat sich ein Makler gekümmert. Ich habe meine Mieter nie zu Gesicht bekommen, und ich weiß auch nicht, warum sie jeweils ausgezogen sind, aber ich habe nie was davon gehört, daß einem von ihnen etwas Schlimmes zugestoßen wäre. Ich hab einfach angenommen, daß es ihnen da irgendwann ein bißchen zu eng wurde und sie beschlossen haben, sich ein eigenes Haus zu bauen, so was in der Art eben.«
    »Jemand hat mir mal gesagt, der Fluß dieses Hauses wäre blockiert worden. Klingelt bei dir da irgendwas?«
    »Der Fluß ist blockiert worden?«
    »Ich weiß auch nicht, was das heißen soll«, sagte ich. »Mir wurde das nur gesagt hat.«
    Mein Onkel dachte eine Weile lang darüber nach. »Nein, dazu fällt mir nichts ein. Aber die Gasse an beiden Enden abzusperren könnte eine schlechte Idee gewesen sein. Wenn man’s recht überlegt, ist eine Straße ohne Ein- oder Ausgang schon eine seltsame Sache. Die Grundbestimmung von Dingen wie Straßen und Flüssen ist zu fließen. Wenn man sie abriegelt, stagnieren sie.«
    »Ich versteh, was du meinst«, sagte ich. »Aber da ist noch was anderes, was ich dich fragen muß. Hast du hier in der Gegend je den Ruf des Aufziehvogels gehört?«
    »Aufziehvogel?« sagte mein Onkel. »Was ist denn das?«
    Ich erklärte ihm mit wenigen Worten, was es mit dem Aufziehvogel auf sich hatte: daß er einmal am Tag zum Baum hinterm Haus kam und diesen Federaufzieh-Schrei ausstieß.
    »Das ist mir neu«, sagte er. »Ich hab so einen Vogel noch nie gesehen oder gehört. Ich interessiere mich für Vögel, und ich hab schon immer auf ihre Stimmen geachtet, aber das ist das erste Mal, daß ich von so was höre. Du meinst, es könnte etwas mit dem Haus zu tun haben?«
    »Nein, eigentlich nicht. Ich war nur neugierig, ob du je was davon gehört hattest.«
    »Weißt du, wenn du über solche Dinge wirklich Genaueres erfahren willst - über die Leute, die nach mir da gewohnt haben, und so weiter -, solltest du dich mit dem alten Ichikawa unterhalten, dem Makler gegenüber vom Bahnhof. Immobilien Satagaya Dai-ichi heißt die Firma. Sag ihm, ich hätte dich geschickt. Er hat sich jahrelang für mich um dieses Haus gekümmert. Er wohnt seit Ewigkeiten in dem Viertel, und er könnte dir absolut alles erzählen, was du wissen möchtest. Er ist derjenige, von dem ich die Geschichte von Miyawakis Haus habe. Das ist einer von diesen alten Leuten, die für ihr Leben gern plaudern. Du solltest mal bei ihm vorbeischauen.«
    »Danke. Das werd ich tun«, sagte ich. »Was anderes, was macht die Jobsuche?«
    »Bis jetzt noch nichts. Um ehrlich zu sein, habe ich mich bisher nicht sonderlich angestrengt. Kumiko arbeitet, und ich mach den Haushalt, und einstweilen kommen wir zurecht.«
    Mein Onkel schien ein paar Augenblicke lang über etwas nachzudenken. Dann sagte er: »Wenn’s je dazu kommt, daß ihr’s nicht mehr schafft, laß es mich wissen. Ich kann dir vielleicht behilflich sein.«
    »Danke«, sagte ich. »Mach ich.« Und damit endete unser Gespräch. Ich spielte mit dem Gedanken, den alten Immobilienmakler anzurufen und ihn nach der

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