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Mister Aufziehvogel

Mister Aufziehvogel

Titel: Mister Aufziehvogel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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möglich, daß dieser Schlips in unserem Haus sein sollte und ich ihn nicht fand. Wenn es um die Unterbringung unserer Kleidung ging, war Kumiko eine solche Perfektionistin, daß meine Krawatte sich unmöglich an einem anderen Ort befinden konnte als demjenigen, an den sie hingehörte. Und tatsächlich fand ich alles - ihre wie meine Sachen - in perfekter Ordnung vor. Meine Hemden lagen säuberlich zusammengefaltet in der dafür vorgesehenen Schublade. Meine Pullover lagen in Pappkisten, die so reichlich mit Mottenkugeln gespickt waren, daß mir, kaum daß ich den Deckel hob, die Augen brannten. Ein Karton enthielt die Sachen, die sie auf der Oberschule getragen hatte: eine marineblaue Uniform, ein geblümtes Minikleid, abgelegt wie Fotos in einem alten Album. Was hatte es für einen Sinn, solche Sachen aufzubewahren? Vielleicht hatte sie sie einfach hierher mitgenommen, weil sie nie eine passende Gelegenheit gefunden hatte, sie loszuwerden. Oder vielleicht hatte sie vor, sie nach Bangladesh zu schicken. Oder sie eines Tages einem Museum zu stiften, als Zeugnisse einer untergegangenen Volkskultur. Jedenfalls war mein gepunkteter Schlips nirgendwo zu finden.
    Die Hand an der Schranktür, versuchte ich mich zu erinnern, wann ich den Schlips das letztemal getragen hatte. Es war ein ziemlich elegantes Stück, sehr geschmackvoll, aber fürs Büro ein wenig zu auffällig. Wenn ich ihn in der Kanzlei getragen hätte, dann hätte sich in der Mittagspause bestimmt jemand in Lobeshymnen darüber ergangen, wie schön die Farbe und wie schick das Ganze sei. Was so etwas wie eine Warnung gewesen wäre. In der Kanzlei, in der ich arbeitete, war es nicht gut, für die Wahl des Schlipses Komplimente gemacht zu bekommen, also hatte ich ihn dort nie getragen. Ich wählte ihn eher für private - aber etwas formelle - Anlässe: einen Konzertbesuch oder ein Abendessen in einem guten Restaurant, bei dem Kumiko wollte, daß wir uns »anständig anzogen« (nicht, daß es viele solche Anlässe gegeben hätte). Der Schlips paßte gut zu meinem marineblauen Anzug, und sie mochte ihn sehr gern. Trotzdem konnte ich mich beim besten Willen nicht erinnern, wann ich ihn zuletzt getragen hatte. Ich ließ meine Augen noch einmal über den Inhalt des Kleiderschranks wandern und gab es dann auf. Aus dem einen oder anderen Grund war die gepunktete Krawatte verschwunden. Auch gut. Ich zog meinen marineblauen Anzug an und dazu ein blaues Hemd und einen gestreiften Schlips. Ich machte mir deswegen keine allzu großen Gedanken. Vielleicht würde sie mich nicht erkennen, aber ich brauchte lediglich nach einer Frau um die dreißig mit einem roten Vinylhut Ausschau zu halten.
    Ausgehfertig angezogen, setzte ich mich auf das Sofa und starrte gegen die Wand. Es war lange her, daß ich einen Anzug getragen hatte. Normalerweise wäre dieser marineblaue Herbst-Winter-Anzug etwas zu warm für die Jahreszeit gewesen, aber gerade an diesem Tag regnete es, und die Luft war frisch. Genau diesen Anzug hatte ich an meinem letzten Arbeitstag (im April) getragen. Plötzlich kam mir der Gedanke, in einer der Taschen könnte noch etwas sein. In der Brustinnentasche fand ich eine Quittung mit Datum vom vergangenen Herbst. Es war ein Beleg für eine Taxifahrt, die ich mir von der Firma hätte erstatten lassen können. Jetzt war es dafür allerdings zu spät. Ich zerknüllte die Quittung und warf sie in den Papierkorb.
    Seit meinem Abschied vor zwei Monaten hatte ich diesen Anzug nicht mehr getragen. Jetzt, nach so langer Zeit, fühlte ich mich darin wie in der Gewalt einer fremden Substanz. Er war schwer und steif und schien mit den Konturen meines Körpers nicht übereinzustimmen. Ich stand auf und ging im Zimmer umher, blieb dann vor dem Spiegel stehen und zupfte energisch an Ärmeln und Schößen, um ihn nach Möglichkeit in eine bessere Paßform zu bringen. Ich streckte die Arme aus, atmete tief ein und beugte mich vornüber, um festzustellen, ob sich vielleicht meine Figur in den letzten zwei Monaten verändert hatte. Dann setzte ich mich wieder auf das Sofa, fühlte mich aber weiterhin unbehaglich. Bis zu diesem Frühjahr war ich täglich im Anzug zur Arbeit gefahren, ohne mir darin je merkwürdig vorzukommen. In meiner Firma herrschte eine ziemlich strenge Kleiderordnung: Selbst für kleine Angestellte wie mich war Anzug vorgeschrieben. Ich hatte nichts dabei gefunden.
    Jetzt allerdings war es anders: Im Anzug auch nur auf dem Sofa zu sitzen fühlte sich wie ein

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