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Mister Aufziehvogel

Mister Aufziehvogel

Titel: Mister Aufziehvogel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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hab ganz allein den Intercity genommen, bin in einen süßen kleinen Bummelzug umgestiegen, der in die Berge fährt, und zu guter Letzt bin ich in diesem verschlafenen Kaff angekommen. Aber da kam ich mir echt wie am Ende der Welt vor. Ich war sooo down, als ich aus dem Zug gestiegen bin! Ich hab gedacht: Was hab ich mir da bloß eingebrockt! Aber dann war’s doch nicht so schlimm: Ich bin jetzt seit einem halben Jahr hier, es hat keine besonderen Probleme gegeben, und ich hab mich ganz gut eingelebt.
    Ich weiß nicht, wie das kommt, aber ich hab mich schon immer für Perücken interessiert. Oder vielleicht sollte ich besser sagen, die haben mich schon immer » fasziniert « , so wie manche Typen von Motorrädern fasziniert sind. Wissen Sie, vorher war mir das gar nicht so richtig klar, aber als ich angefangen hab, diesen Marktforschungsjob zu machen, und auf einmal diese ganzen Glatzköpfe (oder wie die Firma sagt: » Männer mit zurückgehendem Haaransatz « ) zu sehen bekam, da ist mir echt bewußt geworden, wie viele Typen von der Art es auf der Welt gibt! Nicht, daß ich gefühlsmäßig eine besondere Beziehung, so oder so, zu Männern mit Glatze (oder zurückgehendem Haaransatz) hätte. In dem Sinne, daß sie mir besonders » gefallen « oder » nicht gefallen « würden. Nehmen wir zum Beispiel Sie, Mister Aufziehvogel. Selbst wenn Sie weniger Haare auf dem Kopf hätten als jetzt (und bald werden Sie weniger haben), würde sich an meinen Gefühlen Ihnen gegenüber nicht das Allergeringste ändern. Das einzige, was ich empfinde, wenn ich einen Mann mit zurückgehendem Haaransatz sehe, ist dieses Gefühl, von dem ich Ihnen, glaub ich, schon mal erzählt hab, daß das Leben immer weniger wird. Also, das ist wirklich etwas, was mich interessiert!
    Ich hab mal gehört, daß man mit einem bestimmten Alter (ich weiß nicht mehr, ob’s neunzehn war oder zwanzig oder was) den Höhepunkt seines Wachstums erreicht, und danach fängt der Körper an abzubauen. Wenn dem so ist, dann ist die Tatsache, daß einem die Haare ausfallen und schütter werden, einfach nur ein bestimmter Aspekt dieses » Abbauens « des Körpers. Da ist überhaupt nichts Ungewöhnliches daran. Vielleicht ist es ganz normal und natürlich. Wenn damit irgendwas nicht in Ordnung ist, dann ist es der Umstand, daß manche Typen schon jung eine Glatze kriegen und andere überhaupt nie. Also, wenn ich eine Glatze hätte, dann fänd ich das ganz schön unfair. Ich meine, das ist doch ein Körperteil, der wirklich ins Auge springt! Selbst ich kann nachvollziehen, wie sich Glatzköpfe fühlen, und dabei betrifft mich das Problem ja persönlich überhaupt nicht!
    In den meisten Fällen ist der Mensch mit Haarausfall in keinster Weise dafür verantwortlich, ob das Volumen an Haar, das er verliert, größer oder kleiner ist als bei irgend jemand anderem. Als ich da jobbte, hat mir mein Chef mal gesagt, daß es zu neunzig Prozent an den Genen liegt, ob jemand eine Glatze kriegt oder nicht. Ein Mann, der von seinem Großvater und Vater ein Haarausfall- Gen geerbt hat, dem gehen früher oder später die Haare aus, egal, was er dagegen unternimmt. Der Spruch » Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg « , trifft bei Glatzköpfigkeit einfach nicht zu. Wenn die Zeit gekommen ist, wo das Gen aufsteht und sagt: » Also gut, Jungs, bringen wir die Sache über die Bühne « (das heißt, falls Gene aufstehen und » Bringen wir die Sache über die Bühne « sagen können), dann bleibt den Haaren nichts anderes übrig als auszufallen. Das ist doch unfair, oder etwa nicht? Also, ich finde ja.
     
    Jetzt wissen Sie also, daß ich hier draußen in dieser Fabrik bin, weit weit weg von wo Sie sind, und jeden Tag hart arbeite. Und Sie wissen von meinem tiefen persönlichen Interesse am Toupet und dessen Herstellung. Jetzt werde ich Ihnen etwas eingehender von meinem Leben und meiner Arbeit hier erzählen. Ach was, vergessen Sie’s. Tschüs.

11
    I ST DIESE SCHAUFEL EINE WIRKLICHE SCHAUFEL?
    (WAS IN DER NACHT GESCHAH: 2)
     
    Nachdem er tief eingeschlafen war, hatte der Junge einen lebhaften Traum. Er wußte allerdings, daß es ein Traum war, und das war ihm ein gewisser Trost. Ich weiß, daß das ein Traum ist, also war das, was vorher passiert ist, kein Traum. Es ist wirklich, wirklich passiert. Ich sehe den Unterschied zwischen jetzt und vorher. In seinem Traum war der Junge in den Garten gegangen. Es war noch immer mitten in der Nacht, und er war allein. Er hob die Schaufel auf

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