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Mister Aufziehvogel

Mister Aufziehvogel

Titel: Mister Aufziehvogel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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im Garten keine Menschenseele zu sehen. Alles war feucht und stumm. Und es ergab die Gerüche: Gras. Regen. Mein Regenmantel. Das Zitronenbonbon, halb geschmolzen, unter meiner Zunge. All das strömte in einem einzigen tiefen Atemzug zusammen. Ich blickte noch einmal in die Runde, aber es war niemand da. Als ich genau hinhörte, machte ich das gedämpfte Gewummer eines fernen Hubschraubers aus. Dort oben waren Menschen, die über den Wolken flogen. Aber auch dieses Geräusch verebbte in der Ferne, und wieder legte sich Schweigen über alles. Der Maschendrahtzaun des leerstehenden Hauses hatte ein Tor, das gleichfalls, nicht weiter verwunderlich, aus Maschendraht bestand. Ich stieß versuchsweise dagegen. Es öffnete sich mit fast enttäuschender Leichtigkeit, als wollte es mich hineinlocken. »Kein Problem«, schien es mir zu sagen. »Komm einfach herein.« Ich brauchte die detaillierten Gesetzeskenntnisse, die ich mir im Laufe von acht Jahren angeeignet hatte, nicht groß zu bemühen, um zu wissen, daß es im Gegenteil sogar ein ziemlich ernstes Problem werden konnte. Wenn ein Nachbar mich im leerstehenden Haus sah und die Polizei benachrichtigte, würden sehr schnell Beamte auftauchen und Fragen stellen. Ich würde sagen, daß ich nach meinem Kater suchte; er sei verschwunden, und ich suchte ihn überall in der Gegend. Sie würden meine Adresse und meinen Beruf wissen wollen. Ich würde ihnen sagen müssen, daß ich arbeitslos war. Das würde sie nur um so argwöhnischer machen. Sie hätten wahrscheinlich Angst vor linksgerichteten Terroristen oder was weiß ich, wären überzeugt, linke Terroristen seien überall in Tokio am Werk, mit geheimen Waffenarsenalen und selbstgebastelten Bomben. Sie würden Kumiko in der Redaktion anrufen, damit sie meine Aussage bestätigte. Sie würde sich aufregen. Ach, zum Teufel. Ich ging hinein und zog das Tor hinter mir zu. Wenn irgendwas passieren mußte, dann mochte es eben passieren. Wenn irgendwas passieren wollte, dann mochte es eben passieren.
    Ich durchquerte den Garten und sah mich dabei aufmerksam um. Es gab mehrere niedrige Obstbäume, deren Namen ich nicht wußte, und ein ordentliches Stück Rasen. Jetzt war alles hoch aufgeschossen und zugewachsen. Zwei Obstbäume waren vollständig mit häßlichen Passionsblumenranken überwuchert und sahen wie erdrosselt aus. Die Duftblütenhecke, die entlang des Zauns wuchs, war durch einen Belag von Insekteneiern in ein gespenstisches Weiß getaucht. Eine hartnäckige kleine Fliege summte eine ganze Weile neben meinem Ohr. Ich ging an der Vogelstatue vorbei und weiter zu einem Stapel von weißen Plastikgartenstühlen, die ineinandergeschoben unter dem Dachvorsprung standen. Der oberste Stuhl war verdreckt, aber der nächstuntere sah ganz annehmbar aus. Ich staubte ihn mit der Hand ab und setzte mich darauf. Dank des hochaufgeschossenen Unkrauts zwischen mir und dem Zaun war ich von der Gasse aus nicht zu sehen, und die Dachtraufe schützte mich vor dem Regen. Ich saß und pfiff und sah zu, wie der Garten seine reichliche Gabe von feinen Regentröpfchen entgegennahm. Anfangs war ich mir gar nicht bewußt, was ich da pfiff, aber dann erkannte ich, daß es die Ouvertüre zu Rossinis Diebischer Elster war - dasselbe Stück, das ich gepfiffen hatte, als die merkwürdige Frau angerufen und mich beim Spaghettikochen unterbrochen hatte.
    Wie ich so ganz für mich allein in diesem Garten saß, das Gras und den steinernen Vogel betrachtete, eine Melodie (schlecht) vor mich hinpfiff, hatte ich das Gefühl, ich sei in meine Kindheit zurückgekehrt. Ich war in einem geheimen Versteck, wo mich niemand sehen konnte. Das versetzte mich in eine friedvolle Stimmung. Ich bekam Lust, mit einem Stein - ein kleiner Stein hätte schon genügt - nach irgendwas zu werfen. Der steinerne Vogel gäbe ein gutes Ziel ab. Ich würde ihn gerade fest genug treffen, daß es ein leises Klack machte. Als Kind habe ich viel so allein gespielt; ich stellte eine leere Blechdose auf, nahm ordentlich Abstand und warf mit Steinen, bis die Dose voll war. Stundenlang konnte ich mich damit beschäftigen. Gerade jetzt lagen allerdings überhaupt keine Steine vor mir. Je nun. Kein Ort bietet alles, was man braucht.
    Ich zog die Füße hoch, kreuzte die Beine und stützte das Kinn in die Hand. Dann schloß ich die Augen. Noch immer kein Laut. Die Dunkelheit hinter meinen Augenlidern war wie der wolkenverhangene Himmel, aber von einem etwas tieferen Grau. Alle paar Minuten kam

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