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Mister Aufziehvogel

Mister Aufziehvogel

Titel: Mister Aufziehvogel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Da laufen alle möglichen Leute durch. Ich wette, das haben Sie nicht gewußt. Und nicht nur Leute. Auch Tiere. Was haben Sie denn die ganze Zeit hier gemacht, so ganz allein?«
    »Relaxen«, sagte ich. »An die alten Zeiten denken. Pfeifen.«
    May Kasahara kaute an einem Daumennagel. »Sie spinnen irgendwie«, sagte sie.
    »Gar nicht. Die Leute tun das andauernd.«
    »Kann sein, aber die steigen dazu nicht in ein leerstehendes Haus ein. Sie könnten doch genausogut in Ihrem eigenen Garten bleiben, wenn Sie nichts anderes vorhaben, als zu relaxen, an die alten Zeiten zu denken und zu pfeifen.« Da war was dran.
    »Egal. Noboru Wataya ist wohl nicht wieder aufgetaucht, hm?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Und du hast ihn seitdem wohl auch nicht wieder gesehen?« fragte ich.
    »Nein, und ich hab richtig nach ihm Ausschau gehalten: braungestreifter Tigerkater. Schwanz an der Spitze leicht gebogen. Richtig?«
    Sie zog aus der Tasche ihrer Shorts eine Schachtel Hope ohne und steckte sich mit einem Streichholz eine an. Nach ein paar Zügen starrte sie mich an und sagte: »Ihr Haar lichtet sich ein bißchen, was?« Meine Hand fuhr automatisch an meinen Hinterkopf.
    »Nicht da, Dussel«, sagte sie. »An der Stirn. Die ist höher, als sie sollte, meinen Sie nicht auch?«
    »Das ist mir noch nie aufgefallen.«
    »Also, mir schon«, sagte sie. » Da werden Sie eine Glatze kriegen. Ihr Haaransatz wird sich immer weiter und weiter zurückziehen: so.« Sie griff sich eine Handvoll von ihrem eigenen Vorderhaar und hielt mir ihre nackte Stirn unter die Nase. »Sie sollten besser aufpassen.«
    Ich berührte meinen Haaransatz. Vielleicht hatte sie recht. Vielleicht war er wirklich ein Stückchen zurückgegangen. Oder bildete ich mir das nur ein? Wieder was Neues, worüber ich mir Sorgen machen konnte. »Was meinst du damit?« fragte ich. »Wie kann ich denn aufpassen?«
    »Können Sie wohl nicht. Sie können gar nichts dagegen tun. Gegen Haarausfall kann man gar nichts unternehmen. Wer eine Glatze kriegen soll, der kriegt auch eine. Wenn seine Zeit gekommen ist, heißt das: dann kriegt er einfach ne Glatze. Man kann nichts dagegen tun. Die erzählen einem, daß man Haarausfall mit der richtigen Haarpflege verhindern kann, aber das ist völliger Quatsch. Gucken Sie sich doch die Penner an, die im Shinjuku-Bahnhof schlafen. Die haben alle eine richtige Matte auf dem Kopf. Meinen Sie vielleicht, die waschen sie sich täglich mit Clinique oder Vidal Sassoon oder reiben sich da Lotion X rein? Das reden Ihnen die Kosmetikhersteller nur ein, um Ihnen das Geld aus der Tasche zu ziehen.«
    »Da hast du bestimmt recht«, sagte ich beeindruckt. »Aber woher kennst du dich so gut mit Glatzen aus?«
    »Ich hab mal bei einer Perückenfirma gejobbt. Schon eine ganze Weile her. Ich geh ja nicht zur Schule, da hab ich haufenweise Zeit totzuschlagen. Ich hab Erhebungen durchgeführt, Fragebögen ausgefüllt, Sie wissen schon. Und so weiß ich alles über Männer mit Haarausfall. Ich bin bis obenhin voll mit Informationen.«
    »Wahnsinn«, sagte ich.
    »Aber wissen Sie«, sagte sie, ließ ihren Zigarettenstummel auf den Boden fallen und trat ihn aus, »in der Firma, wo ich jetzt arbeite, darf man nicht sagen, irgendwer hätte ›eine Glatze‹. Man darf nur von ›Männern mit zurückgehendem Haaransatz‹ sprechen. ›Glatze‹ ist diskriminierend. Ich hab mir mal einen Witz erlaubt und ›follikulär gehandicapte Herren‹ vorgeschlagen und, Mann, sind die vielleicht ausgerastet! ›Das ist überhaupt nicht komisch, junge Dame‹, haben sie gesagt. Die sind so verdammt bierernst. Wußten Sie das? Jeder auf dieser verdammten Welt ist so gottverdammt bierernst.«
    Ich holte meine Zitronenbonbons heraus, steckte mir eins in den Mund und bot May Kasahara eins an. Sie schüttelte den Kopf und holte eine Zigarette heraus. »Aber da fällt mir grad ein, Mister Aufziehvogel«, sagte sie, »Sie waren doch arbeitslos. Sind Sie’s noch immer?«
    »Klar doch.«
    »Suchen Sie ernsthaft Arbeit?«
    »Klar doch.« Kaum waren mir die Worte über die Lippen gegangen, fragte ich mich, inwieweit sie der Wahrheit entsprachen. »Beziehungsweise, ich bin mir nicht ganz sicher«, sagte ich. »Ich glaube, ich brauch Zeit. Zeit zum Nachdenken. Ich weiß selbst nicht genau, was ich brauche. Läßt sich schwer erklären.«
    An einem Fingernagel kauend, sah mich May Kasahara eine Weile an. »Ich sag Ihnen was, Mister Aufziehvogel«, sagte sie. »Warum kommen Sie nicht einmal mit

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