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Mister Aufziehvogel

Mister Aufziehvogel

Titel: Mister Aufziehvogel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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es sage. Nichts Seelisches oder Metaphorisches, sondern ganz einfach körperlicher Schmerz. Schlichter, gewöhnlicher, alltäglicher körperlicher - und aus diesem Grund um so intensiverer - Schmerz: Kopfschmerzen, Zahnschmerzen, Menstruationskrämpfe, Kreuzschmerzen, steife Schultern, Fieber, Muskelschmerzen, Verbrennungen, Frostbeulen, Verrenkungen, Knochenbrüche, Prellungen. Mein Leben lang habe ich weit häufiger an weit intensiveren körperlichen Schmerzen gelitten als andere Menschen. Nehmen Sie zum Beispiel meine Zähne. Sie hatten offenbar irgendeinen angeborenen Defekt. Vom Anfang bis zum Ende des Jahres bereiteten sie mir Schmerzen. Ich konnte sie mir noch so gründlich oder häufig putzen oder mich noch so strikt aller Süßigkeiten enthalten, es nützte nichts. Alle meine Bemühungen endeten mit Karies. Um die Sache zu verschlimmern, schienen Anästhetika bei mir keine Wirkung zu haben. Zum Zahnarzt zu gehen war immer ein Alptraum. Der Schmerz war schier unbeschreiblich. Ich ängstigte mich zu Tode. Und dann fingen meine schrecklichen Monatsblutungen an. Sie waren unglaublich stark. Eine Woche lang hatte ich dann immer solche Schmerzen, als stoße mir jemand von innen einen Bohrer ins Fleisch. Ich hatte rasende Kopfschmerzen. Sie können sich wahrscheinlich keinen Begriff davon machen, Herr Okada, aber der Schmerz trieb mir buchstäblich Tränen in die Augen. Monat für Monat machte ich jeweils eine Woche lang diese unerträgliche Marter durch.
    Wenn ich mit dem Flugzeugreiste, schien mir infolge der Lufdruckschwankungen der Kopf zu platzen. Der Arzt sagte, das hänge mit meinen Ohren zusammen, bei manchen Menschen sei das Innenohr so gebaut, daß es auf jede Druckveränderung überempfindlich reagiere. Das gleiche passierte mir oft im Fahrstuhl. In hohen Gebäuden darf ich nicht mit dem Aufzug fahren, der Schmerz ist so intensiv, daß es mir vorkommt, als ob mir der Kopf an mehreren Stellen aufreißt und das Blut heraussprudelt. Und dann war da noch mein Magen. Wenigstens einmal in der Woche hatte ich so scharfe, stechende Magenschmerzen, daß ich am Morgen nicht aufstehen konnte. Die Ärzte konnten nie eine Ursache finden. Manche äußerten die Vermutung, die Schmerzen seien psychisch bedingt. Aber wenn das so war, taten sie deswegen nicht weniger weh. Und so sehr ich auch litt, konnte ich doch nicht zu Hause bleiben. Wenn ich jedesmal, wenn mir etwas weh tat, nicht in die Schule gegangen wäre, dann wäre ich überhaupt nie hingegangen. Wann immer ich gegen etwas stieß, bekam ich einen blauen Fleck. Wenn ich mich im Badezimmerspiegel sah, hätte ich in Tränen ausbrechen können. Mein Körper war so mit Blutergüssen übersät, daß ich wie ein fauler Apfel aussah. Es war mir schrecklich peinlich, mich im Badeanzug sehen zu lassen. Solange ich zurückdenken kann, bin ich deswegen auch fast nie schwimmen gegangen. Ein weiteres Problem war die unterschiedliche Größe meiner Füße. Jedesmal, wenn ich mir neue Schuhe kaufte, bereitete mir mein größerer Fuß, solang der Schuh nicht eingelaufen war, unerträgliche Schmerzen. Wegen all dieser Probleme trieb ich fast nie Sport. In der Unterstufe schleiften mich meine Freundinnen einmal auf die Eisbahn. Ich stürzte und schlug mir die Hüfte so schlimm an, daß ich von da an jeden Winter an der Stelle entsetzliche Schmerzen hatte, als steche jemand eine große, dicke Nadel hinein. Unzählige Male stürzte ich beim Versuch, von einem Stuhl aufzustehen, vornüber zu Boden. Zudem litt ich an Verstopfung. Alle paar Tage war der Stuhlgang für mich die reine Qual. Und meine Schultern verkrampften sich schrecklich. Die Muskeln spannten sich immer mehr an, bis sie buchstäblich steinhart waren. Es tat so weh, daß ich nicht aufstehen konnte, aber das Liegen bereitete mir auch nicht weniger Schmerzen. Ich stellte mir vor, dies müßten die Qualen sein, die eine chinesische Strafe verursacht, über die ich irgendwo gelesen hatte. Sie steckten den Übeltäter für mehrere Jahre in eine enge Kiste. Wenn meine Schultern diese äußerste Verkrampfung erreichten, konnte ich kaum noch atmen.
    Ich könnte stundenlang so weiterreden und Ihnen alle Schmerzen aufzählen, die ich im Laufe meines Lebens erduldet habe, aber das würde Sie nur langweilen, Herr Okada, drum will ich es damit genug sein lassen. Ich wollte Ihnen lediglich begreiflich machen, daß mein Körper so etwas wie ein Musterbuch der Schmerzen war. Ich habe jeden Schmerz erlitten, den man sich nur vorstellen

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