Mister Aufziehvogel
entgegen. »Es ist meine glückliche Hand«, sagte er ohne eine Spur von Ironie. Und das war alles, was er dazu sagte. Vielleicht hatte er wirklich eine glückliche Hand, aber er hatte auch ein besonderes Talent, fähige Mitarbeiter zu finden. Er zahlte ihnen hohe Gehälter und behandelte sie gut, und sie lohnten es ihm durch harte Arbeit. »Wenn ich weiß, daß ich den Richtigen habe, drücke ich ihm einen Packen Scheine in die Hand und laß ihn machen«, sagte er mir einmal. »Du mußt dein Geld für die Dinge ausgeben, die für Geld zu haben sind, ohne an Gewinne oder Verluste zu denken. Spar dir deine Energie für die Dinge auf, die nicht für Geld zu haben sind.« Er heiratete spät. Erst als endgültig erfolgreicher Geschäftsmann von Mitte vierzig ließ er sich häuslich nieder. Seine Frau war geschieden, drei, vier Jahre jünger als er und brachte ein beträchtliches eigenes Vermögen in die Ehe ein. Mein Onkel erzählte mir nicht, wie er sie kennengelernt hatte, und ich wußte von ihr nur, daß sie eine stille Frau aus guter Familie war. Kinder hatten sie keine. Sie hatte offenbar auch mit ihrem ersten Mann keine Kinder gehabt; das mochte der Grund für die Scheidung gewesen sein. Auf alle Fälle war mein Onkel als Mittvierziger vielleicht nicht gerade reich, aber doch wohlhabend genug, um sich nicht länger abrackern zu müssen. Zusätzlich zu den Erträgen seiner Restaurants und Bars hatte er Mieteinkünfte aus mehreren Häusern und Eigentumswohnungen, die er besaß, sowie ständige Einkünfte aus Aktienbesitz. In der Familie - durchweg achtbare, jeglicher Extravaganz abholde Geschäftsleute - wurde mein Onkel als schwarzes Schaf betrachtet, und er selbst hatte nie große Neigung gezeigt, engeren Umgang mit Verwandten zu pflegen. Als sein einziger Neffe hatte ich ihm allerdings schon immer ein wenig am Herzen gelegen, zumal nachdem meine Mutter in meinem ersten Collegejahr starb und ich mich mit meinem Vater zerstritt, der noch einmal heiratete. Als ich das einsame Leben eines armen Tokioter Studenten führte, spendierte mir mein Onkel oft ein Abendessen in einem seiner Restaurants auf der Ginza.
Er und seine Frau wohnten jetzt auf einem Hügel in Azabu in einer Eigentumswohnung, was ihnen lieber war, als sich um ein ganzes Haus kümmern zu müssen. Er hatte keinen besonders aufwendigen Lebensstil, aber ein Hobby leistete er sich: Er sammelte seltene Autos. Er hatte einen Jaguar und einen Alfa Romeo in der Garage, beides schon fast Antiquitäten und äußerst gut gepflegt, so blank wie am ersten Tag.
Als ich einmal wegen etwas anderem mit meinem Onkel telefonierte, nutzte ich die Gelegenheit, ihn zu fragen, was er über May Kasaharas Familie wisse. »Kasahara, sagst du?« Er dachte einen Augenblick nach. »Nie von denen gehört. Ich war Junggeselle, als ich dort wohnte, mit den Nachbarn habe ich nie was zu tun gehabt.«
»Eigentlich ist es das Haus gegenüber, was mich interessiert, das leerstehende Haus auf der anderen Seite der Gasse«, sagte ich. »Ich glaube, da hat früher ein gewisser Miyawaki drin gewohnt. Jetzt ist es ringsum mit Brettern vernagelt.«
»Ach, Miyawaki. Klar, den kannte ich«, sagte mein Onkel. »Er besaß ein paar Restaurants, auch eins auf der Ginza. Ich hatte ein paarmal mit ihm geschäftlich zu tun. Seine Lokale waren nichts Besonderes, unter uns gesagt, aber alle in guter Lage. Ich hatte den Eindruck, seine Geschäfte liefen ganz ordentlich. Er war ein netter Kerl, aber ein bißchen der Typ des verwöhnten Reicheleutekindes. Er hatte nie hart arbeiten müssen, oder er hat nie den Dreh rausbekommen oder was weiß ich, jedenfalls ist er nie richtig erwachsen geworden. Jemand hat ihn an die Börse gelockt und ihm alles abgeknöpft, was er hatte - Haus, Grundstück, Lokale, alles. Und das im übelsten Moment. Er versuchte gerade, ein neues Lokal zu eröffnen, und hatte dafür eine hohe Hypothek auf Haus und Grundstück aufgenommen. Peng! Alles weg. Hatte ein paar Töchter, glaub ich, im Collegealter.«
»Soweit ich weiß, steht das Haus seitdem leer.«
»Im Ernst? Ich wette, die Eigentumsverhältnisse sind völlig unklar und sein Vermögen ist eingefroren oder sonstwas. Du solltest aber besser die Finger davon lassen, egal, was für ein Angebot sie dir machen.«
»Wem? Mir?« Ich lachte. »Ein solches Objekt könnte ich mir nie im Leben leisten. Aber warum sagst du das?«
»Als ich damals mein Haus gekauft habe, habe ich da einen Blick reingeworfen. Mit dem Haus stimmt
Weitere Kostenlose Bücher