Mister Medusa
Polizist.«
»Und Polizisten«, nahm ich den Faden wieder auf, »kümmern sich auch um Hintergründe einer Tat. Genau das werden auch wir versuchen. Wir müssen mehr über die Tote wissen. Wie hat sie hier gelebt? Wo hat sie gelebt? Ich sprach mit ihrer Mutter. Sie berichtete mir, dass Ellen gejobbt hat...«
»Moment mal«, sagte der Kommissar. »Es war kein normaler Job, glaube ich.«
»Die Übersetzerin...«
Karlsson winkte ab. »Vergessen Sie das, John. Sie hat nicht als Übersetzerin gearbeitet.«
»Stimmt. Sie sagten es bereits ihrer Mutter.«
»Richtig. Es war auch schwer, es herauszufinden. Oder recht leicht, wie man es nimmt. Wir haben sie fotografiert, das Bild vom Gesicht so retuschiert, dass man es ohne weiteres abdrucken konnte. So wurde es dann in den Zeitungen gezeigt. Es war unsere einzige Chance einer Identifizierung. Wir hatten tatsächlich Glück. Jemand meldete sich und hat diese Person identifiziert. Nur deshalb fanden wir überhaupt heraus, wie sie heißt. Da haben wir uns sofort mit der Mutter in Verbindung gesetzt.«
»Wer hat sie gekannt?«
»Eine Frau, die leider ihren Namen nicht sagte. Dann riefen auch noch Männer an, die Ellen kannten. So erfuhren wir, dass sie nicht als Übersetzerin gearbeitet hat, sondern als Callgirl. Oder als Hostess in einem Club.«
»Na, das ist schon etwas.«
Karlsson lächelte dünn. »Ja, so dumm sind wir auch nicht.«
»Und wie lief das praktisch ab?«, wollte ich wissen. »Hatte sie eine Wohnung hier in der Stadt? Oder...«
»Nein, nein, mehr das Oder. Ellen Ascot hat hier nicht gewohnt. Außerhalb wohnte und arbeitete sie. In einem Bordell, das mitten in einem Wald liegt. Wir sind hingefahren, aber wir haben leider nichts Konkretes gefunden.«
»Was heißt das?«
Er runzelte die Stirn. »So etwas ist für einen Polizisten frustig. Man gab uns keine Auskunft. Man konnte uns auch keine Auskunft geben, wie man immer wieder betonte. Ob das nun stimmte, kann ich nicht sagen. Wir sind kein Polizeistaat, sondern sehr liberal. Man gab zu, Ellen gekannt zu haben, aber das ist auch alles gewesen. In diesem Job fragt man nicht nach der Herkunft und auch nicht nach irgendwelchen Aufenthaltsgenehmigungen. Da muss man schon der Realität ins Auge sehen.«
Da gab ich ihm Recht, aber ich behielt den Gedanken an dieses Bordell im Wald im Hinterkopf. »Wo wurde sie denn gefunden?«, legte ich die nächste Frage nach.
»Nicht an ihrer Arbeitsstelle. Einige Kilometer weiter. Ein gewisser Thore Hamrin fand sie. Ich bekam von Karlsson zu hören, was er dort mit Hamrin erlebt hatte, und danach kam er auf etwas zu sprechen, das mich aufhorchen ließ.
»Dieser Mensch hat eine Gestalt erwähnt, über die ich erst gelacht habe.«
»Wen?«
»Mister Medusa!«
Jetzt hatte mich der Kollege wirklich überrascht, denn so etwas aus seinem Munde zu hören, überraschte mich. Eine Medusa war mir schon öfter begegnet, aber von einem Mister Medusa hatte ich noch nichts gehört. Dementsprechend erstaunt blickte ich den Kollegen auch an.
»Ja«, wiederholte er, »Sie haben sich nicht verhört. Es geht um einen Mister Medusa.«
»Das ist...«
Karlsson musste lachen. »Damit sind selbst Sie überfragt, nicht wahr, Kollege?«
»Sie haben Recht. Das haut mich um. Eine weibliche Medusa, okay, dass kann ich akzeptieren. Doch einen Mann, einen Mister Medusa«, ich hob die Schultern an. »Davon habe ich wirklich noch nichts gehört. Das ist mir völlig neu.«
»Thore Hamrin hat darauf bestanden.«
»Und warum?«
»Ich lache jetzt nicht mehr, wenn ich den Grund höre. Er hat von einer alten Geschichte berichtet, die ihm seine Großmutter erzählt hat, als er noch ein Kind gewesen ist. Nun ja, in jedem Land gibt es irgendwelche Gruselgeschichten. Da machen wir hier in Schweden auch keine Ausnahme. Und es gab eben die Geschichte von einem Mister Medusa, der die Menschen zu Stein werden ließ, wenn sie ihn anschauten.«
»Und Sie kannten die Geschichte nicht?«, fragte ich.
»Nein, mir hat man sie vorenthalten.« Er lachte leise. »Ich hatte zudem auch keine Großeltern, die mir so etwas erzählten, das muss ich noch vorausschicken. Aber ich habe mich schlau gemacht und in Büchern nachgelesen. Da bin ich tatsächlich auf den Waldmann Medusa gestoßen, John.«
»Wenn Sie Waldmann sagen, kann man davon ausgehen, dass die Gestalt in einem Wald lebt.«
»Genau. Der bietet das perfekte Versteck. Der Sage nach ist er ein Verfluchter, der nicht an den alten Schlangenzauber hat glauben
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