Mister Medusa
Gleiche sagen.«
»Das glaube ich nicht.«
»Warum denn nicht?«
Sigrid hob die Arme an und hatte die Hände zu Fäusten geballt. »Warum ist er nicht geflohen? Schließlich weiß er auch Bescheid. Er hat Ellen gefunden und...«
»Ja, nur gefunden.« Eva drehte den Blick und schaute an Sigrid vorbei. »Oder, Thore?«
»Was ist los?« Er kam mit dem Verband und der Salbe näher.
»Du hast Ellen nur gefunden, nicht?«
»So ist es.«
»Hast du den Typen auch gesehen?«
Thore legte die Tube mit der Salbe zur Seite. »Nein, gesehen habe ich ihn nicht. Aber ich weiß, wer er ist. Man nennt den Mann mit dem Schlangenkopf Mister Medusa. Er ist eine alte Sagengestalt, mit der man den Kindern Angst einjagt, denn wer ihn anschaut, der wird zu Stein. Wie eure Freundin Ellen.«
»Woher kennst du ihn so genau?«
Thore lächelte Eva an. »Schon als Kind habe ich von ihm gehört. Ich kannte ihn durch meine Großmutter. Sie hat mir damals so einiges erzählt. Es gibt ja viele Geschichten, die sich in den Wäldern hier angesammelt haben. Da habe ich eben immer gut zugehört. Aber ich habe nie so richtig daran geglaubt.«
»Aber jetzt schon – oder?«
»Leider.« Er öffnete die Dose, und ein Geruch nach Eukalyptus breitete sich aus.
»Und was machen wir jetzt?«, fragte Sigrid. Sie schaute nach draußen. Dort war der Tag dabei, sich zu verabschieden. Er schuf der Dämmerung Platz, die ihren Mantel immer weiter ausbreitete.
Sigrid erhielt eine Antwort. »Jetzt werde ich mich erstmal um deine verletzte Freundin kümmern. Danach sehen wir weiter...«
***
Auch ich war kein Anfänger. Ich hatte mich auf den Angriff eingestellt und fuhr aus dem Stand herum. Es lief auch bei mir blitzschnell ab, trotzdem bekam ich jedes Detail meiner Abwehrreaktion sehr genau mit.
Die Gestalt verschwand aus der Spiegelfläche, als ich den Gegenstand in die Höhe riss und zugleich einen zischelnden Laut hörte, der auch von den Schlangen stammen konnte.
Mir blieb nichts anderes übrig, als selbst in Aktion zu treten. Dabei durfte ich die Gestalt auf keinen Fall anschauen, und so hielt ich die Augen geschlossen.
Aber ich rammte den Spiegel mit aller Wucht nach vom. Mister Medusa war einfach nicht zu übersehen. In der Enge des Flurs hatte er zudem nicht aus-weichen können. So traf ihn die glatte Fläche voll, und sie war nicht so stark, um dem Druck standzuhalten.
Zwei Laute zugleich entstanden. Einer bei dem dumpfen Aufprall. Sofort danach hörte ich das Splittern, als die Spiegelscherbe zerbrach. Ich traute mich noch immer nicht, die Augen zu öffnen, und setzte noch einmal nach.
Der Druck verschwand. Der Spiegel war auch leichter geworden, weil sein Inhalt fehlte. Ich ließ ihn fallen, und als der Rahmen zu Boden prallte, befand ich mich bereits auf dem Rückweg. Der Weg zur Treppe war nicht weit, vielleicht zwei, drei Schritte. Ich wollte auf keinen Fall rücklings die Stufen hinabfallen und drehte mich gerade zur rechten Zeit um. Erst jetzt öffnete ich die Augen. Es war genau das Richtige, denn der nächste Schritt hätte mich mit geschlossenen Augen sicherlich ins Stolpern gebracht. So aber trat ich auf die oberste Stufe und lief dann so schnell wie möglich die Treppe hinab, ohne mich umzudrehen.
Unten stand der Kollege Karlsson. Er blickte mich aus großen Augen an und wollte eine Erklärung haben. Den Gefallen tat ich ihm nicht und sagte nur: »Später, Björn, alles später.«
»Okay.«
»Und zieh dich von der Treppe zurück.«
Er kam der Aufforderung nach und blieb in der Nähe der Tür stehen. Ich hatte meine Waffe gezogen und hielt mich dicht an der ersten Treppenstufe auf. So konnte ich meinen Blick in die Höhe schweifen lassen und erkennen, was der andere vorhatte, falls er die Treppe hinunterkam. Das war alles nicht sicher, denn es gab auch andere Fluchtwege. So konnte er leicht durch eines der Fenster verschwinden.
Ich war ehrlich mir selbst gegenüber und musste mir eingestehen, dass ich Glück gehabt hatte. Es hätte auch anders kommen können, aber der Spiegel hatte mir geholfen. Ich bedauerte zwar, dass er zerbrochen war, aber ich ging davon aus, dass es hier im Haus noch andere Spiegel gab. Sie waren wichtig, denn schon jetzt richtete ich mich darauf ein, dass wir den einen oder anderen mitnahmen, wenn wir das Haus hier verließen.
Die Zeit verging normal schnell oder langsam. Mir allerdings kam sie verzögert vor, und ich lauerte darauf, dass sich in der ersten Etage etwas tat.
Es passierte nichts. Da
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