Mister Medusa
wusste es trotzdem. Er brauchte nur in die Augen der jungen Frau zu schauen, da war ihm alles klar.
Auch Sigrid hielt sich noch im Raum auf. Sie war nicht aufgefordert worden, aber Thore war so nett gewesen, ihr alles zu überlassen. Und so hatte sie aus dem Kühlschrank für sich und Eva zwei Dosen mit Cola geholt, aus der sie hin und wieder einen Schluck trank und die braune Brühe immer mit einem kräftigen Schluck Aquavit richtig in den Magen spülte.
Eva hatte nur wenig getrunken. Sie ließ sich wieder zurücksinken und war froh, mit dem Hinterkopf auf dem weichen Kopfkissen zu liegen. Ihr Blick war gegen die Decke gerichtet, und sie konzentrierte sich dabei auf ihren Fuß, der sich unter dem Verband ziemlich warm anfühlte, als wäre in seinem Innern eine Heizquelle versteckt.
Sigrid spürte bereits die Wirkung des Alkohols. Deshalb stellte sie die Flasche weg und trank die Cola pur. Den freien linken Arm hatte sie über die Sessellehne gehängt und bewegte die Hände schlenkernd auf und ab. Als sich Thore Hamrin in den zweiten Sessel setzte, nickte sie dem bärtigen Mann zu.
Hamrin sagte nichts. Er trank dafür einen Schluck aus der Flasche. Als er sie abstellte, wandte er sich an Sigrid. »Du willst wissen, wie es weitergeht?«
»Klar.«
»Das weiß ich auch nicht.«
Der Alkohol hatte Sigrid etwas träge gemacht. »Das hatte ich mir fast gedacht«, murmelte sie, »aber ich gehe mal davon als, dass wir hier die Nacht verbringen.«
»Das allerdings.«
»Und die dauert lange.«
»Nicht länger als sonst. Sie wird uns nur so lang Vorkommen, weil wir eben Angst haben.«
»Meinst du nicht, dass er aufgegeben hat?«
Thore schüttelte den Kopf. »Nicht Mister Medusa. Er ist frei. Er hat sein Versteck verlassen. Er wird uns riechen und erschnüffeln. Da ist er wie ein Tier, das einmal die Spur der Beute aufgenommen hat. Da dürfen wir uns nichts vormachen.«
Sigrid überlegte einen Moment und fragte dann: »Was ist, wenn er plötzlich vor der Tür steht?«
Fast hätte Thore gelacht. »Freiwillig werde ich ihn nicht einlassen, darauf kannst du wetten.«
»Er wird es aber trotzdem schaffen.«
Hamrin senkte den Kopf und schaute auf die Fußspitzen.
»Gibt es denn keine Möglichkeit, ihn zu stoppen? Zu töten? Ihn zu vernichten?«
»Doch, Sigrid. In der Sage heißt es, dass man ihm den Kopf mit seinen verdammten Schlangen darauf abschlagen muss. Erst dann hat man vor dieser Bestie Ruhe.«
»Schaffen wir das?«
»Keine Ahnung.«
»Aber du hast dein Beil.«
Jetzt musste Thore tatsächlich lachen. »Klar, das habe ich. Aber was bringt es?« Er hob den rechten Zeigefinger. »Eines darfst du nicht vergessen, Sigrid. Wer ihn ansieht, der wird zu Stein. Das heißt, wir dürfen auf keinen Fall auf sein Gesicht schauen. Es sei denn, durch einen Spiegel. Aber das ist auch nicht eben leicht, kann ich dir sagen. Im Film würde so etwas immer toll aussehen, aber wir sind hier in der Gegenwart. Ich möchte wirklich nicht zu Stein werden. Es muss furchtbar sein, wenn man das erlebt.«
»Ja, das glaube ich auch. Hast du denn Spiegel hier im Haus?«
»In der Sauna hängt einer. Der ist aber fest mit der Holzwand verbunden. Um ihn abzubekommen, müsste ich die Wand zerstören.«
»Dann sollte man das hm, bevor noch mehr Unheil geschieht.«
Thore pustete die Luft aus. »Wenn uns nichts anderes mehr einfällt, ist das wohl die einzige Möglichkeit. Aber gern tue ich es nicht, das glaube mal.«
Mir fällt dazu nichts anderes ein, Thore. Denn hier habe ich keinen Spiegel gesehen.«
»Ja, ich bin eben nicht so eitel.«
»Ach, das hat doch damit nichts zu tun.«
Thore schaute auf die Uhr. »Pass auf«, sagte er dann. »Wir warten noch zehn Minuten ab. Wenn sich bis dahin nichts ereignet hat, werde ich in die Sauna gehen und versuchen, den Spiegel zu entfernen. Ihr müsst so lange hier warten.«
»Dann lass uns wenigstens die Axt da.«
»Mal schauen.«
Eva Lund hatte dem Gespräch der beiden zugehört und nichts gesagt. Jetzt aber meldete sie sich, denn ihr war eine Idee gekommen, die sie nicht für sich behalten wollte. »He, wie wäre es denn, wenn wir mal über Hilfe nachdenken?«
Beide drehten die Köpfe und schauten Eva an.
»Ja, ja, das meine ich ernst. Hast du ein Handy, Thore?«
»Welcher Schwede hat das nicht?«
»Stimmt. Also brauchst du nur die Polizei anzurufen und ihnen erzählen, was passiert ist. Wir können ja sagen, dass wir die Schreie in unserem Puff gehört haben. Das wird die Bullen
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