Mister Mirakel
lächelte er in die Fratze hinein und hatte den Eindruck, sie würde ihn zurückgrüßen.
Es gab eine Verbindung zwischen ihnen. Eine warme Brücke hatte sich aufgebaut. Kein Kopf war ihm fremd, sie alle waren seine Kinder, und er sprach auch mit ihnen.
»Ihr werdet mich nicht im Stich lassen. Ihr werdet das tun, was ich von euch verlange. Ihr werdet nicht das große Gruseln in der nächsten Nacht verbreiten, sondern -«, und jetzt verzog sich sein glattes Gesicht, »- den großen Horror oder den Terror. Ihr werdet in meinem Namen gehen, und ihr werdet genau zu erkennen sein, denn eure Farben werden leuchten, wenn sie dabei sind, die Seelen der Menschen zu übernehmen. Halloween wird wieder das werden, was es vor langer Zeit einmal gewesen ist. Ein Fest der Geister, des Schreckens und der Toten!«
Scharf und böse lachte er auf, bevor er den Kopf wieder zurück in das Regal stellte. Er verzichtete darauf, einen zweiten in die Hand zu nehmen, sondern verließ den hinteren Bereich des Wagens und zerrte die Falttür wieder zu.
Dann stieg er aus. Neben dem Wohnmobil blieb er stehen und atmete tief durch. Es war eine für ihn wunderbare Luft. Er atmete sogar den Nebel ein und stellte sich vor, daß es die sichtbar gewordenen Seelen seiner Opfer wären.
Das tat ihm gut, das gab ihm Kraft. Er schaute auf seine Hände mit den langen Fingern. Sie kamen ihm steif vor. Durch Drehen und auch Ziehen sorgte er dafür, daß sie geschmeidig wurden, denn das war nötig, wenn er mit seiner Arbeit begann.
An der flachen Schnauze des Fahrzeugs ging er vorbei, um auf die rechte Fahrbahnseite zu gelangen. Er war bewußt links ausgestiegen und hatte sich auch die natürliche Deckung dieser Einbuchtung angeschaut, durch die leichte Dunstschleier trieben und das Buschwerk zu einer grauen Mauer machten.
An der Seite blieb er stehen. Den Wagen hatte Mister Mirakel nach seinen Vorstellung umbauen und lackieren lassen. Er mußte nur zwei Klemmen losen, um die Hydraulik in Gang zu setzen.
Es dauerte einen Moment, dann aber glitt ein Teil der Wohnwagenseite nach unten und stoppte erst, als die vordere Breitseite den Boden berührt hatte, so daß jetzt eine Rampe entstanden war.
Sein Blick fiel auf die Regale.
Ja, er war zufrieden.
Bestens. All seine Köpfe standen in den Regalen, und rechts davon lagen diejenigen, die er noch bearbeiten mußte. Er freute sich darauf, denn das machte neugierig.
Mister Mirakel stieg die Rampe hoch. Er holte seinen Arbeitsstuhl und baute ihn vor dem Regal auf. Auch den Kasten mit den Schnitzmessern stellte er neben sich und schaffte ein halbes Dutzend Köpfe auf die andere Seite des Stuhls.
Perfekt!
Dem Beginn seiner Arbeit stand eigentlich nichts mehr im Weg, und er freute sich darauf, anfangen zu können.
Oder war es noch zu früh?
Wahrscheinlich, denn seit seiner Ankunft war kein Wagen vorbeigekommen. Vom Ort her hörte er auch nichts. Der Dunst verschluckte die meisten der Geräusche.
Mirakel öffnete seinen Werkzeugkasten. Dort lagen die Schnitzmesser wohl einsortiert nebeneinander. Große und kleine, gebogene und auch glatte. Es war einfach alles vorhanden. Mirakel traf stets seine Vorbereitungen. So hatte er auch die Kürbisse längst ausgehöhlt und brauchte sich mit dieser Arbeit nicht zu beschäftigen.
Stille umgab ihn. Über die Fahrbahn trieb der Dunst hinweg, der auch in seine Nähe wallte. Hin und wieder hörte er ein Geräusch aus südlicher Richtung. Die Laute waren nie richtig zu identifizieren. Mal war es eine Stimme, mal ein dumpfer Klang.
Das Rauschen des Meeres hörte er nicht, und so saß er weiter eingefangen in der Stille. Er blickte auf die Uhr.
Der Mittag war vorbei. Der Nachmittag würde kommen, und mit ihm auch die ersten Menschen.
Kaum hatte ihn dieser Gedanke beschäftigt, hörte er das Geräusch eines Motors. Kein Auto fuhr aus Tyneham über die Straße, sondern ein Motorroller. Darauf saßen zwei Personen. Von ihren Gesichtern war nichts zu erkennen. Die Köpfe verschwanden unter den Helmen, die aussahen wie völlig verfremdete Halloween-Masken.
Die beiden mußten ihn sehen, aber sie fuhren vorbei.
Mister Mirakel lachte. Er machte sich keine Sorgen. Es gab andere, die stoppen würden. Auf der anderen Seite dachte er darüber nach, ob er nicht doch einen Fehler begangen hatte. Er sah praktisch nichts in diesem nebligen Grau. Selbst von der Fahrbahn her war seine Tätigkeit kaum zu erkennen. Mirakel änderte dies, indem er das Licht einschaltete. Für die
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