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Mister Peanut

Mister Peanut

Titel: Mister Peanut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Ross
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Lust, ihm zu sagen, er könne einen Pickle bekommen, falls er das Glas ohne fremde Hilfe öffnete; aber weil er es beinahe fallen ließ, riss sie es ihm aus der Hand und stellte es in den Babysitz am vorderen Ende des Einkaufswagens. Chip heulte auf.
    »Chip«, flüsterte sie, »hör sofort damit auf, sonst wirst du den Rest des heutigen Tages in deinem Zimmer verbringen, das schwöre ich!«
    Was Chips Lautstärke noch verstärkte. Die vorbeikommenden Frauen schüttelten den Kopf, einige mitfühlend, andere nicht.
    »Es reicht. «
    »Ich … will … einen … Pick…kel«, schluchzte er.
    Marilyn hatte den Wagen zwischen den Gefriertruhen zum Stehen gebracht, wo die Gänge breiter, heller und kühler waren als im restlichen Supermarkt. »Letzte Chance.«
    Chips Gesicht war rot angelaufen, und in Zeitlupe formten seine Lippen das Wort: Pick-kel.
    »Na schön.« Sie versetzte dem Einkaufswagen einen kräftigen Stoß, so wie sie es bei den Jungen auf dem Parkplatz gesehen hatte, wenn sie die Wagen wie Bowlingkugeln ineinanderkrachen ließen. Die plötzliche Beschleunigung überraschte Chip. Er hörte sofort zu weinen auf und starrte mit weit aufgerissenen Augen in Marilyns Richtung, während der Abstand zwischen ihnen wuchs und sie immer kleiner wurde und Chip aussah wie ein Vogelkind in einem Lebensmittelnest. Eine Frau, die ihre kleine Tochter hinter sich herzog, drehte sich nach dem vorbeirollenden Wagen um. »Das werde ich auch mal versuchen«, sagte sie.
    Chip blieb wie gelähmt sitzen. »Mommy?«
    Sie winkte und verschwand zwischen den Regalen.
    Sie konnte ihn rufen hören, während sie die Gänge abschritt, nach einer Dose Kaffee und Haferflocken griff und versuchte, sich an die Einkaufsliste zu erinnern. Der altbekannte Konflikt machte sich in ihr breit; einerseits genoss sie Chips Leid, weil er auch sie unzählige Male hatte leiden lassen, sie suhlte sich in seiner Angst, wie eine große Schwester es vielleicht getan hätte, und gleichzeitig spürte sie, wie das Blut in ihrer linken Körperhälfte zusammenlief, so als ziehe Chip sie an wie ein Magnet, als zerre seine Angst an ihren Knochen. Sie wollte ihn trösten, aber als sie um die Ecke bog, befürchtete sie, er könne zu einem Doppelgänger seines Vaters heranwachsen, weil sie immer auf dem Sprung war, weil sie ihm ständig bestätigte, dass sie zu seiner Verfügung stand. Sie hoffte, dass er sich später an seine Verlassenheit erinnerte, der Trick mit dem Einkaufswagen würde nur ein einziges Mal funktionieren. Und dann wandte sie sich dem Kind in ihrem Bauch zu: Ich könnte ihn sitzen lassen. Alle beide, Chip und deinen Vater. Aber dich nicht, Liebes. Dich nicht.
    Sie legte sich eine Hand sachte an den Bauch und entdeckte einen Supermarktangestellten neben ihrem Einkaufswagen, einen alten Mann mit einem blinden Auge, dessen Pupille der grüne Star milchweiß gefärbt hatte. Er musste neu hier sein, denn Marilyn kannte ihn nicht. Chip hatte sich im Wagen aufgerichtet, wagte jedoch nicht, herauszuspringen und sie zu suchen. Der Fremde hielt ihn am T-Shirt fest und redete beruhigend auf ihn ein, wobei seine faltige, gespenstische Erscheinung den Jungen nur noch weiter verängstigte. Obwohl Chips Mund weit aufgerissen war, kam kein Ton heraus.
    »Ist das Ihr Sohn?«, fragte der Verkäufer.
    Marilyn verschränkte die Arme und beäugte den Jungen. »Ich bin mir nicht sicher«, sagte sie. »Wie heißt er?«
    »Wie heißt du?«, fragte der Verkäufer.
    Chip holte tief Luft und nannte seinen Namen, bevor er die Augen schloss und abermals in stummes Gebrüll ausbrach. Tränen liefen über seine Wangen.
    »Hmm«, sagte Marilyn, »so heißt mein Sohn tatsächlich, aber er sieht nicht aus wie dieses Kind. Wenigstens lässt sich das nicht sicher feststellen, solange er diese Grimasse zieht.« Sie schaute auf Chip hinunter, der ihr beide Arme entgegenreckte. Der Verkäufer hielt ihn am Hosenbund fest, während Marilyn sich außer Reichweite aufstellte. »Vielleicht kann ich ihn erkennen, wenn er zu weinen aufhört?«
    »Sie sagt, du sollst aufhören zu weinen«, sagte der Verkäufer und schüttelte Chips Hosenbund. »Lass dich mal ansehen.«
    Chip hörte so abrupt zu weinen auf, als hätte man einen Hahn zugedreht. Er atmete so angestrengt, dass seine kleinen Schultern sich hoben und senkten.
    »Können Sie ihn jetzt erkennen?«, fragte der Verkäufer.
    Der entsetzte Chip starrte sie an, als hinge sein Leben davon ab.
    »Er sieht aus wie Chip«, sagte Marilyn, »aber

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