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Mister Peanut

Mister Peanut

Titel: Mister Peanut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Ross
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anfangen? Sie lenkte den Wagen in die Auffahrt, befahl Chip, für eine Minute sitzen zu bleiben, und klopfte an.
    Esther kam zur Tür. Sie war wegen des anstehenden Hausputzes ganz von der Rolle.
    »Ich habe draußen Dick Eberlings Lieferwagen gesehen. Ich muss einen Termin mit ihm verschieben.«
    »Er ist irgendwo im Obergeschoss«, sagte Esther.
    Spen, der Bürgermeister von Bay View, war im Hauptberuf Fleischer, deswegen roch es im Haus der Houks immer nach Rauch oder Holzkohle. Der erste Stock war dunkel, eng und warm, still und mit Teppichen ausgelegt. Leise schlich Marilyn zum Schlafzimmer und blieb kurz vor der Schwelle stehen, um Eberling vom Flur aus zu beobachten. Er saß auf dem Fensterbrett und hatte sich wie auf einer Schaukel weit zurückgelehnt, um die Fensterscheibe von außen mit einem Schwamm einzuseifen; anschließend zog er den Schaum mit dem Abzieher nach unten und tauchte hinter der Scheibe auf wie aus dem Meer. Er sah ihrem Mann so ähnlich, dass es beinahe unheimlich war, vielleicht war er sogar noch attraktiver. Zum einen war er schlanker. Er hatte sich bis aufs Unterhemd entkleidet, sodass sie die Muskelknoten in seinen Schultern und, durch den nassen Stoff, an seinem Bauch erkennen konnte. Allein aus dem Anblick seiner Hände konnte Marilyn schließen, was für ein starker Mann er war. Zweitens waren es vor allem seine Augen, die Eberling so attraktiv machten. Er und Sam hatten dieselbe Augenfarbe, aber Eberling wirkte immer ein bisschen melancholisch. Irgendetwas Schreckliches war ihm zugestoßen, alles an seiner Person wies auf eine traurige Vergangenheit hin, auf ein Geheimnis. Wann immer er Marilyn ansah, schien ihm etwas auf der Zunge zu liegen.
    »Dick?«
    »Mrs. Houk?«
    Er schwang seinen Oberkörper ins Schlafzimmer zurück. Marilyn trat ein und sagte: »Nein, ich bin’s, Marilyn.«
    Er starrte in den Raum, blieb blinzelnd auf dem Fensterbrett sitzen, bis seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, und dann blickte er vor sich auf den Teppich. »Hallo, Mrs. Sheppard.«
    Sie spürte den Impuls, sein Kinn in die Hand zu nehmen, und sagte: »Ich habe draußen Ihren Wagen gesehen.« Sie wagte nicht zu schlucken.
    Er blieb zusammengekrümmt im Fenster sitzen.
    »Ich habe noch einmal über nächste Woche nachgedacht«, fuhr sie fort, »und ich frage mich, ob Sie eventuell schon am Montag kommen können?« Ihr Herz raste. Es war einfacher, als sie gedacht hatte. Sie konnte fühlen, wie er jedes ihrer Worte aufsaugte. »Kommen Sie doch am Nachmittag. Chip könnte für eine Weile bei den Nachbarn spielen. Dann sind wir ungestört.«
    Eberling, den Blick immer noch zu Boden gerichtet, lächelte jetzt.
    »Und Sie können Ihre Badehose mitbringen, das sagte ich ja schon.« Sie kam näher. Seine Haut glänzte wie nasses Kupfer, so dunkel, dass er fast schwarz aussah. »Wir könnten uns ein wenig amüsieren.«
    Er saß reglos da, bewegte keinen einzigen Muskel.
    »Möchten Sie?«, fragte sie.
    »Ja«, antwortete er, »aber …«
    »Aber was?«
    »Ich wünschte, es wäre eher«, sagte er.
    Sie konnte sich nicht dagegen wehren. Sie flüsterte. Noch nie hatte sie zu einem Mann so gesprochen, außer zu Sam. »Ich auch.« Sie traute ihren Ohren kaum. »Ich wünschte, es wäre heute Abend.«
    Eberling schien ihre Worte erst verarbeiten zu müssen, dann hob er den Kopf. Sie fand, dass er beinahe verärgert aussah.
    »Mrs. Sheppard, können Sie mir eines sagen?«
    »Sicher.«
    Er atmete lautstark durch die Nase aus. »Sie lügen mich doch nicht an, oder?«
    Bei der Frage musste sie blinzeln. »Natürlich nicht«, sagte sie.
    »Sie könnten einen wie mich mögen?«
    »Ja«, sagte sie.
    »Für lange Zeit?«
    Sie zuckte mit den Achseln, spürte blitzartig den Zweifel. »Warum nicht?«
    Er senkte wieder den Kopf und lächelte den Teppich an.
    »Dann also am Montag?«, fragte sie.
    Er nickte.
    »Ich muss jetzt gehen.«
    Sie ging die Treppe hinunter und dachte, mehr hat es also nicht gebraucht, eine andere zu werden. Als Esther ihr einen Abschiedsgruß nachrief, reagierte sie nicht. Was Dick gesagt hatte, erschien ihr süß und geheimnisvoll. Für lange Zeit. Und es war befremdlich. Noch bevor eine Liebe anfing, wollten die Beteiligten sich ihrer Dauerhaftigkeit versichern.
    Sie ließ den Motor an und setzte rückwärts aus der Einfahrt. Die Houks wohnten nur zwei Häuser weiter. Eben wollte sie den Gang einlegen, als sie Sams Auto in der Auffahrt entdeckte.
    Sie fuhr langsam, parkte neben seinem

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