Mister Peanut
kämpfen hatte und in ein tiefes schwarzes Loch abgerutscht war. Sie wollte Sie nicht einmal mehr anfassen, nicht wahr? Dabei waren Sie doch ein Mann, der nicht auf seine tägliche Trainingseinheit verzichten wollte, hm? Dann war da noch der Vierer mit Lester und den beiden Krankenschwestern. Und gleich danach Margot Wendice, eine Ausbilderin im Pflegeheim. Sie haben sich ein Jahr lang mit ihr getroffen, während Marilyn mit Chip nach Cleveland zurückgekehrt war, um sich zu erholen. Und Julee Lossman, nur wenige Monate vor Marilyns Tod …«
»Zwischen mir und ihr ist nichts vorgefallen.«
»Nein, Euer Ehren, wir waren lediglich befreundet, die Lossmans und ich. Wir haben einen Bootsausflug auf dem Eriesee unternommen und beschlossen, eine Rast auf der kleinen Insel vor der Put-in-Bay einzulegen, wo Julee und ich für eine Weile im Gebüsch verschwanden – für mehr als eine Stunde, um genau zu sein –, und ja, ich hatte schon mehrere Jahre zuvor mit ihr geschlafen. Zugegeben, nach unserem kleinen Abstecher verpasste ihr Ehemann ihr eine Ohrfeige. Dabei war während unserer Abwesenheit nichts vorgefallen, das schwöre ich, Euer Ehren.«
Sheppard zuckte mit den Achseln.
»Und dann natürlich die liebliche Susan Hayes. Wie lange waren Sie mit ihr zusammen?«
»Drei Jahre, mit Unterbrechungen.«
»Bis zum März 1954. Über sie sollten wir uns unbedingt unterhalten, oder?«
»Warum?«
»Weil sie Ihnen letztendlich das Motiv lieferte, Marilyn zu ermorden.«
Sheppard und Susan Hayes fuhren von San Diego nach Los Angeles zurück. Sie hatten an der Hochzeit eines befreundeten Paares teilgenommen, wobei Sheppard der Name des Bräutigams entfallen war. Es war Nacht, und draußen war es bitterkalt. Die Heizung des Cabriolets, das Sheppard sich von Dr. Miller ausgeliehen hatte, ein MG, war kaputt, außerdem funktionierte der Scheibenwischer auf der Fahrerseite nicht mehr, sodass Sheppard das Verdeck geöffnet hatte, um in dem Nebel, der über dem Highway 1 aufgezogen war, etwas sehen zu können.
»Kannst du etwas erkennen?«, fragte Susan.
»Manchmal«, antwortete er. Der Motor röchelte dermaßen lautstark, dass eine Unterhaltung unmöglich war – was Sheppard, der nichts zu erzählen hatte, durchaus recht war. Was immer Susan zu sagen hatte, er wollte es nicht hören. Leider konnte sie nicht für fünf Minuten den Mund halten.
»Du könntest ihn austauschen .« Und als Sheppard auf sein Ohr zeigte, fügte sie hinzu: »Den Scheibenwischer .«
Sie hielt die Arme verschränkt und saß mit dem Rücken gegen die Beifahrertür gelehnt, ein bisschen wütend und leicht erstaunt. Ihr schmales Gesicht sah im schwachen Licht des Armaturenbretts noch bleicher aus als sonst, und ihre Züge wirkten hart und raubvogelartig, so als kehre die Dunkelheit bereits die alte Geierfrau hervor, die sie in einigen Jahrzehnten sein würde. Dass sie so zielstrebig auf einen Streit zusteuerten, wie er normalerweise nur Verheirateten vorbehalten war, also Leuten wie ihm und Marilyn, stieß ihn ab. Gleichzeitig wurde ihm bewusst, dass er mit keiner Frau außer Marilyn jemals für längere Zeit liiert gewesen war.
»Könntest du wenigstens das Verdeck hochklappen?«, sagte sie.
Wo war die Susan, die er vor drei Jahren kennengelernt hatte?
Ihre Idee war allerdings gar nicht so schlecht. Er fror selbst, auch wenn auf nicht unangenehme Weise; ein paar Minuten später hielt er an einem Aussichtspunkt, einer von Schotter bedeckten Felsnase, die über den Pazifik ragte. Er ließ die Scheinwerfer an, um etwas sehen zu können, und untersuchte den Scheibenwischer. Er war mit zwei Kreuzschrauben befestigt, deswegen suchte Sheppard den Kofferraum nach Werkzeug ab (fand aber nichts als einen Montierhebel) und blieb dann grübelnd neben dem Wagen stehen, um zu beobachten, wie sich der Hängebauch des Nebels über das Scheinwerferlicht schob. Schließlich fiel ihm eine Alternative ein. Er ging ums Auto herum und beugte sich hinein. Susans genervtes Gesicht erinnerte ihn an eine steinerne Fratze. Er griff hinters Lenkrad, drehte den Zündschlüssel und zog ihn ab. Der Motor kam mit einem Beben zum Stillstand, das die gesamte Karosserie erzittern ließ, und dann hörten sie nichts mehr als das Stoßen und Seufzen des Ozeans, eine unablässige Erschütterung, die die Küste Millimeter um Millimeter abtrug, bis eines Tages auch diese Straße, dachte er, zerfallen und ins Meer stürzen würde.
»Was tust du da?«, fragte sie. Als er nicht
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