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Mister Peanut

Mister Peanut

Titel: Mister Peanut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Ross
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sich.
    Am nächsten Tag wartete sie in aller Frühe in seinem roten MG auf ihn.
    Sheppard betrat die Garage, und da war sie, saß auf dem Beifahrersitz, als hätte sie die Nacht dort verbracht, so selbstbewusst, dass sie nicht einmal aufblickte. Er blieb eine Sekunde lang verwundert stehen; ihre Anwesenheit kam ihm vor wie das Geschenk einer guten Fee, noch bevor er den Wunsch geäußert hatte. An diesem Morgen trug er seinen blauen Nadelstreifenanzug, und aus irgendeinem Grund hielt er inne, um sich an die Krawatte zu fassen und lächelnd an seiner Hemdbrust hinunterzuschauen; dann, er hatte sich gefasst, ging er zum Auto und öffnete die Fahrertür. Sie warf ihm einen Blick zu, der so direkt war, dass jede Frage, jeglicher Small Talk ausgeschlossen waren, ein Blick, den er bezaubernd fand und den zu erwidern er kaum wagte. Er ließ den Motor an, manövrierte den Wagen aus der Garage und fuhr in ungewöhnlich langsamem Tempo zum Krankenhaus, wobei sie auf der gesamten Strecke kein Wort sprachen. Der Wagen jaulte vor sich hin und wollte dringend aus dem dritten Gang hochgeschaltet werden; beim Herunterschalten vor der Kreuzung konnte Sheppard jede Nut im Getriebe spüren. Wenn die Ampel auf Grün gesprungen war, trat er so behutsam aufs Gaspedal, als wäre er auf spiegelglatter Straße unterwegs. Auf dem Parkplatz sagte sie: »Vielen Dank, Dr. Sheppard«, und blieb dann einfach sitzen; instinktiv eilte er zur Beifahrertür, um sie für sie zu öffnen – eine Höflichkeit, die er Marilyn niemals erwies.
    Auch die Krankenhaustür hielt er ihr auf, und dann verschwand sie, fast ohne sich zu verabschieden, im Labor.
    Falls er Susan später am Tag noch einmal begegnen würde, auf dem Flur oder in der Cafeteria, würde sie wieder kein Wort mit ihm sprechen, das wusste er. Er war überzeugt davon, so wie er überzeugt war, dass sie am nächsten Morgen wieder in seinem Auto sitzen würde.
    Was sie auch tat, mit auf dem Schoß gefalteten Händen. Diesmal zögerte er nicht, aber wieder schwiegen sie; ein Wort, und alles wäre anders. Es war Mitte Mai und das Frühlingswetter fabelhaft; die Kirschbäume blühten wie rosa Zuckerwatte, die Knospen der Judasbäume platzten auf wie frisches Popcorn, und die Farben summten, so wie Susan neben ihm. Sheppard wagte nicht, sie direkt anzuschauen, er hatte Angst, dass derselbe Zauber, der sie hergebracht hatte, sie auch wieder verschwinden lassen könnte. Auch bei der Arbeit im Krankenhaus änderte sich nichts. Mussten sie miteinander reden, war das Gespräch stets auf berufliche Fragen, auf das Reich der Grundlagenpathologie beschränkt. Er erteilte ihr genaue Anweisungen. Mitarbeiter, die den Arzt und die Labortechnikerin zusammen beobachteten, hätten vermuten können, sie könnten einander nicht leiden. Oft sah sie ihm nicht einmal ins Gesicht. Mit der Schlagfertigkeit des Filmstars war es vorbei. Er wusste, sie hatten einen Pakt geschlossen, was ihm merkwürdigerweise beunruhigend vorkam, seine Aufmerksamkeit zugleich aber bündelte. In dem Wissen, sie auch am folgenden Morgen wieder in seinem Auto sitzen zu sehen, konnte er sämtliche Ablenkungen ausblenden. Etwas zu ändern, sich plötzlich anders zu verhalten, wäre einem Verrat an ihrem Pakt gleichgekommen.
    »Wer ist die denn?«, fragte Marilyn eines Morgens. Sie war eben aus der Garage gekommen, immer noch im Nachthemd. Chip, inzwischen vier Jahre alt, schlief tief und fest.
    Er trank einen letzten Schluck Kaffee. »Susan Hayes. Sie ist die neue Labortechnikerin.«
    »Was macht sie da?«
    »Wie meinst du das?«
    »Sie sitzt in deinem Auto!«
    »Ich nehme sie zum Krankenhaus mit.«
    »Warum?«
    »Weil sie kein Auto hat.«
    Marilyn verschränkte die Arme. »Wird sie sich eines anschaffen?«
    »Das weiß ich nicht.«
    Marilyn schüttelte verblüfft den Kopf. »Das heißt, morgen müssen wir auch mit ihr rechnen?«
    »Warum fragst du sie nicht selbst?«
    Marilyn schwieg. Es gab nur eine Antwort, und gegen die sträubte sie sich seit Jahren.
    »Ich muss jetzt los«, sagte er.
    Er stieg ins Auto. Wieder einmal begrüßte Susan ihn nicht. Kein Lächeln, kein Hallo, nicht einmal ein Kopfnicken. Und dennoch nickte Sheppard ihr unwillkürlich und gleichgültig zu, so als habe sie sich im Bus neben ihn gesetzt oder denselben Fahrstuhl betreten. Er drehte den Kopf, legte den Arm um Susans Sitz und fuhr rückwärts aus der Garage.
    »War das Ihre Frau?«, fragte Susan.
    Er erschrak und musste am Ende der Einfahrt auf die Bremse treten,

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