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Mister Peanut

Mister Peanut

Titel: Mister Peanut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Ross
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wusste, was es mit Alice’ Abwesenheit auf sich hatte, begriff er auch, dass er noch einiges an Arbeit vor sich hatte, bevor das Ende erreicht war.
    Geschwächt vom Fasten, ging er mit unsicheren Schritten ins Badezimmer und reinigte sich wie jemand, der nach Monaten aus dem Wüstenexil heimkehrt. Er trank aus dem Duschkopf. Er rasierte sich und wusch sich die Haare, und nachdem er die Rasierklinge über eine Minute lang angestarrt hatte, beschloss er, seinen gesamten Körper zu rasieren, was einige Zeit in Anspruch nahm. Nach der Dusche putzte er sich die Zähne, dann ging er in die Küche, griff zur Schere und schnitt sich die dicken Locken ab. Und dann, zurück vor dem Spiegel, seifte er sich den Schädel ein und rasierte auch den.
    Er zog ein T-Shirt und eine Jeans an, die am Bund recht lose saß, und anschließend machte er sich daran, das Apartment aufzuräumen. Der Geist des Chaos ist schneller als der Geist der Ordnung, und er brauchte dreimal so lange, um die Wohnung in den ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen. Er stopfte Alice’ Kleider in die Kisten zurück und räumte sorgfältig den Schrank auf, faltete ihre Pullover neu, hängte die Blusen über Bügel und ordnete die Schuhe nach Paaren. Er sortierte ihre Dokumente in den Aktenschrank ein, aber vorher suchte er alle überflüssigen Papiere und Rechnungen und unwichtige Korrespondenz heraus, sodass die Mappen auf die halbe Stärke zusammenschrumpften. Er räumte den Müll von den Nachttischen, trennte die funktionstüchtigen von den kaputten Stiften und warf alle Ein-, Fünf- und Zehncentstücke in die entsprechenden Flaschen. Er schmiss die alten Telefonbücher weg. Er riss alle bekritzelten Seiten aus den Ringbüchern, bis nur noch solche übrig blieben, die bis auf die durchgedrückten Spuren früherer Notizen leer waren. Kurzum, er befreite das Apartment von der Unordnung ihres gemeinsamen Lebens, bis es weitläufiger, blitzblank, aufgeräumt aussah. Er stopfte sogar die Schaumstofffüllung in die Matratze zurück und vernähte den Riss. Und bevor er die Matratze auf den Bettrahmen zurückhievte, legte er Alice’ Tagebuch an seinen Platz zurück, weil er wusste, dass er dann besser schlafen würde.
    Er betrachtete sich im Spiegel. Er sah wie neugeboren aus. Seine rasierte Haut fühlte sich unglaublich weich an.
    Dann setzte er sich an sein Manuskript und fing zu schreiben an. Auf Anhieb überwand er die Stelle, an der er bislang immer hängengeblieben war, und bald hatte er neues Terrain erreicht, und das alles in einem Tempo, von dem er früher nur geträumt hatte. Er schrieb so lange, bis seine Augen und Finger zu schmerzen begannen, und so automatisch, als diktiere ihm eine innere Stimme den Text; erst viele Stunden später ließ er den kahlen Kopf erschöpft auf die Tischplatte sinken.
    Tage vergingen. Wochen. Er legte sich neue Gewohnheiten zu. Er stand auf, schaltete die Kaffeemaschine ein und duschte, während der Kaffee durchlief. Er sorgte stets dafür, dass auf dem Esszimmertisch alles für den nächsten Arbeitstag bereitlag – das Manuskript, Stifte, Notizblock, Laptop. Bevor er zu arbeiten anfing, nahm er eine leichte Mahlzeit zu sich, ein Ei vielleicht, manchmal auch einen Käsetoast und etwas Obst, und dann schrieb er für mehrere Stunden am Stück, drei oder vier normalerweise, es waren die produktivsten des ganzen Tages, und manchmal hielt er sogar bis zu fünf Stunden durch – eine Entwicklung hin zu einem animalischen Zeitgefühl, was bedeutete, dass er gar kein Zeitgefühl mehr besaß. Er neigte dazu, sich selbst laut vorzulesen, die Worte unbetont hinauszurufen, um ihren Druck zu spüren und den Satzrhythmus zu hören. Manchmal rezitierte er noch beim Schreiben, ganz leise. Dann aß er wieder, wozu er sich meistens an den Küchentresen stellte. Später ging er im Park spazieren, ohne etwas wahrzunehmen. Er setzte eine zweite Kanne Kaffee auf, war sich aber nicht zu schade, eventuell zurückgebliebene Reste der ersten aufzuwärmen. Die zweite Sitzung konnte effektiv sein, ein wahres Geschenk. Die geistige Verausgabung hatte dann eine befreiende Wirkung, brachte ihn einem Traumzustand nahe. Genauso gut konnte die zweite Arbeitseinheit aber auch zum Desaster werden und ihn sich die nicht vorhandenen Haare raufen lassen. Am Ende des Tages war er bereit für einen Lauf. Er zog sich um, ging wieder in den Park, rannte einmal um die Aschenbahn und wieder zurück. Das Blut schoss durch seine Adern, überflutete sein Gehirn,

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