Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mister Peanut

Mister Peanut

Titel: Mister Peanut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Ross
Vom Netzwerk:
nähert, hätte er die Flasche in Nahaufnahme im Bildvordergrund gezeigt. Er hätte uns gezeigt, wie er den armen Kerl persönlich ankettet, und dann, während die Kamera zurückfährt, hätte er gezeigt, wie der Kameramann einen großen Schluck aus der Flasche nimmt. ›Immer schön die Arschbacken zusammenkneifen‹, hätte Hitch gesagt, und dann hätte er die Kamera in die Vogelperspektive hinauffahren lassen, nur um zu zeigen, wie winzig klein der Kerl ist, nun, da das Medikament durch seine Gurgel gelaufen ist. Den Rest der Nacht hätte er aus der Perspektive des Opfers gezeigt, das sich nach dem Eimer reckt, der knapp außerhalb seiner Reichweite steht und den Hitchcock dort als zusätzliche Gemeinheit platziert hat … und selbstverständlich hätte es keine Musik gegeben, nur natürliche Geräusche.« Otto legte sich den Handrücken an die Lippen und imitierte ein paar nasse Fürze.
    Angewidertes Gelächter. Geheul.
    »Wie hätte er im Dunkeln filmen können?«, rief David.
    »Wie bitte?«
    David reckte den Arm in die Höhe. Der Professor hielt sich eine Hand an die Ohrmuschel, und Alice drehte sich um.
    »Ich sagte, wie hätte er im Dunkeln filmen können?«
    »Ausgezeichnete Frage! Wie heißen Sie?«
    »David.« Er warf einen Blick zu Alice hinunter.
    »Dieses kleine Detail hätte Hitch außer Acht gelassen. Er pflegte zu sagen, er wolle vollkommen unglaubwürdige Geschichten erzählen, die in sich einer unanfechtbaren Logik folgen.«
    Otto zeigte eine weitere Schwarz-Weiß-Montage: Brücken erheben sich über ein Sumpfland, das an New Jersey erinnert, und dann geht das Bild in eine Einstellung von Joseph Cotten über, der in einem dunklen Zimmer auf dem Rücken liegt. Dann: weitere Brücken, die London Bridge diesmal, aber in Farbe – und dann eine Frauenleiche, die bäuchlings und nackt und mit einer Krawatte um den Hals in der Themse treibt. Die Golden Gate Bridge und darunter Jimmy Stewart, eine ertrunkene Frau in den Armen.
    »Ein paar wichtige biografische Daten«, sagte Otto. »Erstens, und vermutlich ist dies die berühmteste aller Hitchcock-Anekdoten: Als er ein kleiner Junge war, befahl ihm sein Vater, ein Lebensmittelhändler, dass er mitkommen solle, und übergab ihn ohne jeden Grund der Polizei. Er ließ ihn für ein Weilchen ins Gefängnis sperren. ›So machen wir das mit ungezogenen Jungs‹, erklärte sein Vater und ließ ihn sitzen – nicht lange, aber lange genug. Ich will an dieser Stelle nicht groß herumpsychologisieren, aber Hitch entwickelte ein Trauma, zu dem der Umstand, dass er Katholik war, vermutlich noch weiter beitrug. Nicht nur, dass er eine extreme Angst vor der Polizei im Besonderen und vor Autoritäten im Allgemeinen entwickelte. Er hatte zudem ein ausgeprägtes Gespür für Schuld und war überzeugt, dass die Strafe für alles, was man getan oder gedacht hatte, bereits hinter der nächsten Ecke warten würde. Denn letztendlich sind wir alle Kriminelle, oder? Sie natürlich noch nicht, Sie sind jung und ledig, ich hingegen bin seit Jahren verheiratet und träume regelmäßig von Mord.«
    Mehr Kichern. Mehr Bilder. Cary Grant, der von zwei Männern im Plaza Hotel mit der Pistole bedroht wird. Im nächsten Bild wieder Cary Grant, wie er durch die Grand Central Station rennt. Mit Eva Marie Saint auf dem Mount Rushmore, wo er Lincolns Nase hinunterrutscht. Ein Mann hängt an der Fackel der Freiheitsstatue, ein Zweiter packt ihn, der Ärmel reißt, der Mann fällt. Ein Mann – aus der Vogelperspektive nur ein kleiner Punkt – flüchtet aus dem UN-Gebäude.
    »Womit wir beim Thema Ehe wären«, sagte Otto. »1929 begegnet Hitchcock Alma Reville, einer jungen Frau, die als Scriptgirl arbeitet – heute würde man sie eine Regieassistentin nennen, aber ich liebe diesen alten Begriff, Scriptgirl. Sie arbeiten zusammen an einem Film, treffen sich ein paarmal, er macht ihr einen Antrag. Auf einem Schiff, immerhin. Wie romantisch, werden Sie jetzt denken, dabei macht er seinen Antrag während eines Sturms. Während Alma seekrank unter Deck liegt. Das habe ich mir nicht ausgedacht. Er wollte sie fragen, wenn sie sich nicht wehren konnte, erklärte er später. Angeblich hat sie, nachdem er um ihre Hand anhielt, gekotzt. Meine Damen und Herren, wenn Sie jemanden um seine Hand bitten und der oder die Gefragte zu kotzen anfängt, sollten Sie das als klares Zeichen werten.«
    Er lachte und wischte sich den Mund ab.
    »Überflüssig zu sagen, dass die Verbindung nicht besonders

Weitere Kostenlose Bücher