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Mister Peanut

Mister Peanut

Titel: Mister Peanut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Ross
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Wohnung. Den Tag über fragte er sich, was Hannah wohl tun würde, um an etwas zu essen zu kommen.
    »Ich bin zu Hause!«, rief er an jenem Abend und blieb in der Diele stehen. Als sie nicht antwortete, ging er direkt ins Schlafzimmer.
    Hannah schaute fern. »Ist dir je aufgefallen«, fragte sie, »wie viel für Essen geworben wird? Es ist wirklich erstaunlich. Wir machen Gutes aus Milch. Frosties wecken den Tiger in dir. Zwei saftige Hamburger mit Spezialsauce, knackigem Salat, Käse, Gurken und Zwiebeln auf einem Sesambrötchen.«
    »Wie wär’s damit?«
    »A1 – so macht man Steak.«
    »Streng genommen stellen die nur die Sauce her.«
    »Ein Leben ohne Heinz ist keins. Fleisch – was anderes kommt nicht auf den Tisch. Yo quiero Taco Bell.«
    »Wir haben einen, gleich unten an der Ecke!«
    »Und viele Sachen, die man nicht essen kann, tragen die Lebensmittel dann im Namen. Fruit of the Loom. Sonnen milch. Ist dir das je aufgefallen?«
    »Nein«, sagte er.
    »Vielleicht, weil du keinen Hunger hast.«
    »Doch, jetzt schon«, sagte Hastroll. Die Aufzählung ließ ihn schwächeln. »Du auch?«
    Sie zuckte mit den Achseln.
    Hastroll fand, dass ihre Schulterblätter auffällig herausstanden.
    »Nun sag schon«, sagte sie.
    »Was denn?«
    »Was es zum Abendessen gibt.«
    Hastroll machte den Rücken steif und starrte aus dem Fenster. »Kümmer dich selbst drum.«
    »Oh«, sagte sie. »Wie wäre es mit einem Schluck Wasser?«
    »Ich habe zu tun«, sagte er. »Warum stehst du nicht auf und holst es dir selbst?«
    »Tja dann«, sagte sie und ließ sich gegen das Kopfteil sinken.
    Hastroll lud sich selbst zum Chinesen ein.
    Vier Tage nach Einführung der neuen Strategie sah Hannahs Gesicht eingefallen aus. Hastroll konnte die Rippen über ihrem Brustansatz erkennen. Sieben Tage später litt Hastroll fast noch mehr als sie, blieb aber standhaft. Er untersuchte den Hausmüll gründlich auf Spuren von bestelltem Essen. Sie hatte nichts zu sich genommen. Er fragte den Portier, ob Hannah das Haus verlassen habe. »Ehrlich gesagt«, antwortete Alan, »habe ich Mrs. Hastroll so lange nicht gesehen, dass ich mich schon gefragt habe, ob sie gestorben ist.« Als Hannah ihm an jenem Abend eine gute Nacht wünschte, bemerkte Hastroll weißen Schaum in ihren Mundwinkeln.
    Er schaltete die Nachttischlampe aus und beobachtete sie verstohlen im Widerschein des Fernsehschirms. »Was schaust du da?«, fragte er.
    » Wettlauf mit dem Tod «, sagte sie.
    Am neunten Tag streckte sie die Hand nach einem Buch auf dem Nachttisch aus, wurde ohnmächtig und fiel aus dem Bett.
    Der zu Tode erschreckte Hastroll weckte sie mit ein paar Klapsen auf, bevor er sie wieder ins Bett hob. »Hannah?«, sagte er. »Hannah, bitte sag etwas!«
    »Wasser«, röchelte sie.
    Er brachte ihr ein Glas, das sie mit riesigen Schlucken leerte. »Pizza«, sagte sie vier Gläser später.
    Er bestellte eine große mit Salami und extra viel Käse. Sie aß sechs Stücke, ohne innezuhalten, dann setzte sie sich auf, wischte sich die roten Saucenreste aus den Mundwinkeln und sank, müde von so vielen Kohlehydraten, aufs Kissen zurück. Sie schaltete den Fernseher ein.
    »Du hast es immer noch nicht kapiert«, sagte sie und fiel fast augenblicklich in einen tiefen Schlaf.
     
    »Aber ja doch, Alice kam mit den Schülern wunderbar zurecht«, sagte Jesslyn Fax, vierundfünfzig Jahre alt und Kunstlehrerin an der Hawthorne-Cedar-Knolls-Schule für schwer erziehbare Kinder mit Missbrauchs- und Gewalterfahrungen. »Die Kinder haben sie vergöttert.« Fax, eine kleine, pummelige Frau, trug ein braunes Kleid und hatte sich einen weißen Pullover um die Schultern gelegt. In ihren Ohren steckte ein Hörgerät, sie war laut und fröhlich – der Daueroptimismus der Mittelmäßigen, dachte Hastroll. An den Wänden ihres Unterrichtsraums hingen Reproduktionen von Van Goghs Sternennacht und Picassos Guernica, dazu ein paar Manets und Monets, Rothkos und Rembrandts, Munchs und Mondrians und ein Escher. Die Kunstposter muss ten sich den Platz mit den Kreidezeichnungen der Schüler teilen, mit Stillleben von Früchten und mit Selbstporträts, allesamt unbeholfen bis wirklich schlecht, wobei die dazwischengehängten Klassiker als bitterer Hinweis auf all das fungierten, was die Bilder der Kinder nicht waren und nie sein würden. In einer Ecke stapelten sich mit alter Ölfarbe überkrustete Staffeleien, in einer anderen stand eine große, abstrakte Tonskulptur. »Wir haben in der Aula einen

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