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Mister Peanut

Mister Peanut

Titel: Mister Peanut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Ross
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missliche Lage locken wollten. Seine reflexartige Reaktion war, sich aufzulehnen.
    Und trotz alledem war David manchmal, wenn sie sich liebten, in seiner Leidenschaft versucht, ihr das Diaphragma herauszureißen. Allein der Gedanke an dieses Ding in ihrem Unterleib schien ihn zu ersticken, die Vorstellung, sein Sperma würde getötet, bereitete ihm körperliche Schmerzen. Seine armen kleinen Penisleute, mit denen Millionen von Möglichkeiten zugrunde gingen! Der Vorgang schien einer mikroskopisch kleinen Spielversion von Missile Command zu gleichen, und allein die Vorstellung, in eine ungeschützte Alice zu ejakulieren, ließ ihn vorschnell zum Orgasmus kommen.
    »Oh Gott«, schrie er, »nimm es raus! Bitte, Alice, nimm es raus!«
    »Bist du so weit?«, fragte sie.
    Er hielt inne. »Du?«, fragte er zurück.
    Sie nahm sein Gesicht in die Hände. Schaute ihn an. Schüttelte den Kopf.
    »Nein«, sagte sie, »noch nicht.«
    Danach fühlte er sich unglaublich erleichtert. Um ein Haar hätten sie einen schrecklichen Fehler begangen.
    Das Gespräch zog sich weiter hin.
    Einmal, als David am Flughafen darauf wartete, dass er in die Maschine gelassen würde, beobachtete er eine Mutter, die versuchte, ihre weinende Tochter zu beruhigen. Die Lautstärke des Kleinkindes war spektakulär. Es jaulte. Es heulte. Es schrie sich, im Ernst, die Lunge aus dem Leib, und zwar so lange, bis das Geschrei etwas allzu Wirkliches und gleichzeitig Surreales bekam, so als stünde das Kreischen als kleiner giftiger Zwerg auf einer Leiter in seinem Hals und würde den Kopf des Mädchens als Lautsprecher benutzen. Zuerst waren die Leute peinlich berührt und hatten Mitleid mit der Mutter, aber mit voranschreitender Zeit spitzte sich das Ganze krisenhaft zu. Ohne dass irgendjemand ihn gerufen hätte, kam der Sicherheitsdienst. »Wir haben es schreien hören«, sagte einer der Männer. Da fingen die Leute, die in Hörweite des Kobolds saßen, zu kichern und dann zu lachen an. Auch David musste lachen, er rief sogar seine Frau an.
    »Hier ist so ein kleines Mädchen«, sagte er. »Es schreit. Es ist noch ganz klein. Hör mal!« Er hielt sein Handy in die Höhe.
    »Ich kann es hören«, sagte Alice. »Soll das ein Witz sein?«
    »Nein«, sagte David. Und dann lachte auch Alice, so als fände sie es niedlich. So sind Kinder eben. Die kleinen Strolche.
    Auch das floss in ihr Gespräch ein, obwohl David ihr nie erzählte, was am Flughafen dann noch geschah. Das Kind schrie und schrie immer weiter, und noch während David staunend und amüsiert die Szene verfolgte, ließ der neben ihm sitzende Anzugträger die Zeitschrift sinken und fragte: »Haben Sie Kinder?«
    »Nein«, sagte David schmunzelnd. Die Kraft des Kindes war beeindruckend. Allein sein Durchhaltevermögen überzeugte David von seinem Talent. Eine Sirene, die ihr Sirenenlied sang.
    »Dann schaffen Sie sich bloß keine an«, sagte der Mann und schaute David so lange ins Gesicht, bis dieser den Blick erwiderte. »Die machen einem das Leben kaputt.«
    David beobachtete das Kind, bis es Zeit zum Einsteigen war. Er drehte sich noch einmal um, aber der Mann war verschwunden.
    Das Gespräch zwischen David und Alice zog sich weiter hin. In der Musik spricht man von Steigerung: Dieselben Noten ziehen sich über immer mehr Takte, die Akkorde dehnen sich aus. Selbst die Entscheidung, nicht darüber zu reden, kam einem Austausch gleich.
    »Sind wir schon wieder dabei?«, fragte David lachend. Er und Alice saßen in der Frühstücksnische in der Küche. Er war betrunken. Es war erst Dienstag. Dienstag!
    »Lass uns irgendwo Gras auftreiben«, sagte Alice und schenkte sich Wein nach, »lass uns kiffen.«
    Was sie seiner Meinung nach nicht aussprach: solange wir noch können . Es war, als würden sie sich das Erwachsensein durch ihr kindisches Verhalten beweisen wollen. Sie tranken und tranken, und dann vögelten sie, nicht ohne sich vorher stürmisch die Kleider vom Leib zu reißen, und am nächsten Morgen dachte er: Wie lange können wir uns noch so hervorragend amüsieren? Wie lange halten wir das noch durch?
    Dabei war es gar nicht immer amüsant.
    Manchmal rutschte das Gespräch ins Toxische ab, es verwandelte sich und metastasierte, um sich gegen sie zu richten. Wenn sie stritten, schoben sie ihr ungeborenes Kind zwischen sich und zwangen es, sich für eine Seite zu entscheiden; sie begingen die elterliche Ursünde.
    »Du bist ja wohl verrückt geworden«, schrie sie, »wenn du denkst, ich würde mit

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