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Mister Peanut

Mister Peanut

Titel: Mister Peanut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Ross
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so einem Egozentriker wie dir ein Kind haben wollen!«
    »Dann lass es doch bleiben«, sagte er, »ich will sowieso kein Kind. Du willst ein Kind.«
    »Ich wusste es«, rief sie, »ich wusste es die ganze Zeit!«
    » Was wusstest du? Was hast du die ganze Zeit gewusst?«
    » Nichts ! Ich habe nichts gewusst! Und das liegt daran, dass du nie sagst, was du fühlst! Und dem würde ich nie ein Kind aussetzen – nie im Leben !« Sie drehte sich um und ging.
    »Ach, geh nur«, sagte er. »Geh einfach weg. Das nenne ich scheißvorbildliches Verhalten!«
    » Scheiß vorbildlich?«, fragte sie. »Ich höre immer nur scheiß, scheiß, scheiß.«
    »Ach, bitte«, sagte er.
    »Ach, scheißbitte«, korrigierte sie ihn. »Scheißdad. Scheiß mom.«
    »Nein«, sagte David und durchbohrte sie mit seinem Blick. »Keine Mom, nie im Leben!«
    Allerdings machte sie das Kind, das sie noch nicht bekommen hatten, gleichzeitig auch zu besseren Menschen.
    »Es tut mir leid«, sagte David später.
    Inzwischen war es Abend geworden, im Apartment brannte kein Licht. Sie hatten stundenlang im Dunkeln gesessen, ein jeder in seiner Ecke. Er stand im Türrahmen zum Schlafzimmer und hatte die Hände in den Hosentaschen vergraben.
    »Du hast recht«, sagte er. »Ich fluche zu viel.«
    »Nein«, sagte sie, » du hast recht. Ich hatte einen Wutanfall.«
    »Ich hatte eine Kernschmelze.«
    »Ich brauche eine Auszeit.«
    Sie lachten, und als es wieder still war, sagte er: »Alice, ich möchte nicht, dass du denkst, ich …«
    »Sag es nicht«, sagte sie.
    Es war wie eine Übung, dachte David, sie spielten Vater-Mutter-Kind. Das ungeborene Kind beobachtete, urteilte, hielt sie zur Ehrlichkeit an. Schon jetzt war es dabei, ihren Charakter zu verbessern.
    Später schliefen David und Alice miteinander. Sie dachten an … schon klar. Aber der Streit hatte Zweifel gesät, weswegen sie doch mit der Verhütung achtgaben.
    Manchmal fragte David sich, worauf sie noch warteten. Gab es irgendetwas, das er noch nicht gesagt hatte? Musste Alice ihm irgendetwas sagen?
    »Ich muss dir etwas sagen«, sagte sie.
    Sie lagen im Bett mit der übergroßen Matratze. Seit dem Streit waren Tage, Wochen, Monate vergangen. Der Sommer neigte sich dem Ende zu. Ihr Gespräch hatte ein ganzes Vierteljahr gedauert. Es war Abend, sie hielten einen Drink in der Hand, und der Fernseher lief. Sie hatten sich das Bett mit der riesigen Matratze gegönnt, obwohl sie damals knapp bei Kasse gewesen waren. Ihr Bett sollte unbedingt bequem sein. Jedes Paar hat seine eisernen Regeln: kein gemeinsames Konto, niemals unversöhnt ins Bett gehen, nie das letzte Xyz aus dem Kühlschrank nehmen. Ihre Regel: keine getrennten Betten. Es handelte sich in ihren Augen um das räumliche Äquivalent zur Scheidung, lief auf ein Nebeneinanderherleben hinaus. Getrennte Betten wären das Ende.
    »Einmal bin ich gestorben«, sagte Alice.
    Die Frau weiß einfach auf sich aufmerksam zu machen, dachte er. Die Gabe der Außenseiterin – sie wusste sich abzuheben, wenn es darauf ankam. Er schaltete den Fernseher aus und legte sich die Kissen zurecht.
    »Wann?«
    »Als ich acht Jahre alt war«, sagte sie.
    Es war Frühlingsanfang, erzählte sie, und draußen hatte es gestürmt. Ihre Eltern saßen am Kaminfeuer und sahen fern – wenn Alice von ihren Eltern sprach, musste er sich in Erinnerung rufen, dass sie ihren Onkel Ladd und dessen Frau Karen meinte, die sie aufgezogen hatten. Vor seinem geistigen Auge sah er ein Haus am See in Bay Village, einem Vorort von Cleveland, Ohio. Er stellte sich das langgezogene, holzvertäfelte und mit Teppichen ausgelegte Wohnzimmer vor, an dessen Wänden Tiergemälde hingen – ein Löwe, ein Wolfsrudel, ein Leopard. Eigentlich war Ladd kein Naturliebhaber, die Bilder waren nichts weiter als ein Reflex auf den kitschigen Naturalismus jener Zeit. Alice war aus traurigem Anlass in die Familie gekommen. Ihre Mutter Dorothy war bei der Geburt eines kleinen Jungen, sechs Jahre jünger als Alice, gestorben, zusammen mit dem Kind. Ihr Vater Thomas, ein erfolgreicher Erfinder, geriet darüber dermaßen aus der Bahn, dass er Alice fortgeben musste, um sich zu erholen. Vier Jahre später ging es ihm besser, und er verheiratete sich erneut, seine Tochter holte er jedoch nie zu sich zurück. Obwohl sie von Ladd und Karen nur in liebevollem Ton sprach, wurde ihr unterschwelliges Einsamkeitsgefühl nach Davids Einschätzung durch die Kinderlosigkeit ihres Onkels und seiner Frau nur verstärkt; Alice

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