Mister Peanut
letzten Cent aufkommen. Wir arbeiten in dieser Gegend mit einigen Bestattungsunternehmern zusammen. Wir besitzen Grabgrundstücke überall auf den Inseln. Darüber hinaus können wir eine Bestattung im Bundesstaat Ihrer Wahl organisieren. Auch das sehen wir als unsere Pflicht. Es wäre uns eine Ehre, Ihnen helfen zu dürfen.«
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, sagte David.
»Sie brauchen nichts zu sagen. Wir sind für Sie da, bis Sie und Ihre Frau das Gefühl haben, wieder mit beiden Beinen auf dem Boden zu stehen.«
Harold saß noch für eine Weile schweigend da, die gefalteten Hände auf dem Tisch.
David starrte auf das Essen auf seinem Teller – die Frische war verwelkt, die Farben liefen ineinander, Sirup und Eigelb und Butter, alles zerfiel, geronn, verfaulte. »Ich sollte jetzt raufgehen und nach Alice sehen.«
»Natürlich«, sagte Harold.
David wischte sich den Mund ab. Er legte die Serviette auf den Teller. Er warf Harold einen Blick zu, der ihn geduldig anstarrte, dann senkte er die Augen wieder.
»Ist alles in Ordnung?«
David zuckte mit den Achseln. Er fühlte sich wie an den Stuhl genagelt.
»Falls Sie Fragen haben«, sagte Harold, »können Sie sie gern stellen.«
David brachte es nicht über sich, den Mann anzusehen.
»Fragen Sie«, sagte Harold.
Davids Augen liefen über. »Bin ich schuld?«, fragte er. »Meine Gedanken? Verstehen Sie?«
»Ja«, sagte Harold, »ich verstehe.«
»Sagen Sie es mir. Ich muss es wissen.«
»Sie sind nicht schuld, David. Weder Sie noch irgendeiner Ihrer Gedanken, noch irgendeine Ihrer Entscheidungen. Sie kommen in dieser Gleichung nicht vor.«
»Sind Sie sich sicher?«
»Ja, absolut.«
»Wie können Sie sich sicher sein?«
»Weil es in der Natur der Sache liegt.«
»Das erklärt gar nichts.«
»Hören Sie mir einfach zu.« Harold schob seine Hand über den Tisch und legte sie auf Davids. »Sie glauben, das, was Ihnen da passiert ist, sei eine Art dramatischer Höhepunkt. So als hätte es nicht anders kommen können. Aber das stimmt nicht. Es handelt sich überhaupt nicht um einen Höhepunkt. Sie haben hier nicht die Handlungsmacht. Es handelt sich um einen Effekt des Reisens. Wenn Leute verreisen – und ganz besonders, wenn sie fliegen –, fühlen sie sich, als hätten sie eine bedeutende Entscheidung getroffen. Das macht einen Teil des Mythos aus, des Wunders und der Romantik. Zu reisen ist magisch. Die Leute messen dem Anfangspunkt eine überhöhte Bedeutung bei. ›Das Flugzeug, das neulich abgestürzt ist‹, sagen sie, ›ich hätte eigentlich mitfliegen sollen, aber mein Taxi ist im Stau steckengeblieben.‹ So als hätte Gott persönlich eingegriffen. Sie verleihen dem Verkehrsmittel einen göttlichen Status. Dabei handelte es sich lediglich um einen Flug , den sie verpasst haben. Sobald man einmal im Flugzeug sitzt, betrachtet man den Aufenthalt dort als Pause vom normalen Leben, als eine Art Zwischenwelt oder sicheren Hafen. Aber in Wahrheit reist das Leben mit. Denken Sie mal darüber nach. Es soll vorgekommen sein, dass Leute sich während eines Fluges haben scheiden lassen. Oder verlobt. Hoch über der Erde wurden Kinder gezeugt. Und geboren, gesund und munter. Auf Flügen wird gestorben – an Herzinfarkten, Schlaganfällen, Aneurysmen. Manche Leute bestellen einen Drink und schlafen für immer ein. Manche verschlucken sich beim Essen und werden gerettet. Die Leute verlieben sich beim Fliegen. Ganze Romane werden beendet – von Lesern und von Autoren. Es kommt zu großartigen Entdeckungen und Durchbrüchen in der Wissenschaft. Und trotzdem betrachtet man das Reisen, das In-Bewegung-sein als Atempause vom Leben. Aber das ist ein Irrtum. Eine Bewegung ist keine Atempause. Es gibt keine Atempausen. Wir sind ständig in Bewegung.« Bei diesem Schlusssatz drückte er fest Davids Hand.
»Sagen Sie mir noch einmal, dass Sie sich ganz sicher sind«, bat David.
»Von all unseren Gedanken erscheinen uns nur jene von Bedeutung, die sich in unserem Verstand manifestieren und an die wir uns später erinnern können. Aber mit den Gedanken vor einem Ereignis verhält es sich wie mit Glückskeksen. Man greift in eine große Schüssel und nimmt zufällig einen heraus. Das Glück ist nicht weniger dem Zufall unterworfen als unsere Gedanken.«
»Versprechen Sie es.«
»Denken Sie nur an die vielen Gedanken, die wir uns immerzu machen! Und an wie wenige davon wir uns erinnern können!«
»Bitte!«
»Es war nichts, was Sie gedacht haben,
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