Mister Zed
wirkte er abgeklärt und so als wüsste er genau,
was hier passierte, wo sie sich befanden und warum er an der Seite von Sonja
und Roderick nach den Plänen der Hyperbombe suchen sollte. Nach anfänglicher
Verwirrung, verursacht durch die vielen knapp bekleideten Frauen und die vorherrschende
Gewalt, war er wieder Wissenschaftler und Geistlicher – ein wenig ehrfürchtig,
doch resolut auftretend –, der den anderen das Gefühl gab, nur ein
kleiner, unwesentlicher Fleck auf einer historischen Karte zu sein.
»Was meinen Sie damit?«, hakte Roderick nach.
»Zed sucht sich seine eigene Herde zusammen. Habe ich Recht?«
Der alte Mann nickte.
»Wenn er alle seine Schafe beisammen hat, wird er den Rest der Welten vernichten.
Aber wo sind all die Anderen, die er für sich gewinnen konnte oder gefangen
genommen hat?«
»Ich weiß nicht, wie viele noch leben. Ich bin mir sicher, dass er
an Tausenden seine Experimente verübt hat. Viele davon sind tot, andere
vegetieren in den Gefängnissen der Station vor sich hin, und irgendwo gibt
es noch einen Bereich, in dem seine Frischware lebt. Er hegt und pflegt sie.
Da ist er der liebenswerte Mann, freundlich, zuvorkommend. Väterlich. Niemand
merkt ihm an, dass er verrückt ist. Erst später findet man heraus,
wer Zed wirklich ist. Doch dann bleibt keine Zeit mehr für eine Flucht«,
erklärte der alte Mann. »Und es würde sich auch nicht lohnen.
Keines seiner Kinder, wie er sie nennt, hätte draußen eine Chance.
Sie sind abhängig von seinen Medikamenten und hängen an ihm, obwohl
sie ihn hassen.«
»Aber das wissen wir doch bereits. Worauf wollen Sie hinaus, Raphael?«,
meinte Roderick.
»Die Ikarus ist nicht das erste Schiff, das in die Vergangenheit
reisen kann. Vor ihr gab es viele andere. Schiffe, Personen, Wesen. Die Zeitreise
geht ins 13. Jahrhundert post Christi natum zurück. Seitdem versucht die
Menschheit auf der Jahresskala nach vorne und nach hinten zu reisen.«
Auch dies war Sonja nicht neu. Sie wusste immer noch nicht, was die Männer
ihr damit sagen wollten.
»Roderick! Was soll das? Lass uns hier verschwinden. Ich kann dem Gerede
nicht länger folgen«, sagte sie; und auch er gab zu, dass er nicht
genau wusste, was der Prior und der Alte ihnen zu verstehen gaben.
Endlich sprach Raphael weiter, dabei betrachtete er den alten Mann wissend:
»Zed ist nicht nur ein Wandler seiner körperlichen Erscheinung, sondern
auch ein Zeitenwandler. Er springt durch das Universum, ohne jeglichen Schaden
zu nehmen. Ist das so weit richtig?«
Wieder stimmte der Alte zu. Er wirkte keinesfalls mehr belustigt wie zu Beginn,
als sie darüber spekulierten ob dieser Raum zu einer Art eines Transmitters
gehörte. Vielmehr hatte er Angst, aber nicht vor Zed, sondern vor den Worten,
die Raphael aussprach: der Wahrheit.
»Und auf seinen Reisen nahm er mit, was er bekommen konnte?«, fragte
Roderick.
»Am Anfang möglicherweise«, antwortete der Alte. »Irgendwann
begann er gezielt nach Menschen und Wesensarten zu suchen, die ihm nützlich
sein konnten. Er muss eines Tages auch auf euch gestoßen sein. Und er
wusste, dass du, Sonja, schwanger sein würdest, jetzt zu dieser Zeit.«
»Aber wir wollten unseren Sohn keiner Gefahr aussetzen«, verteidigte
sich Sonja.
»Ich weiß. Das weiß ich jetzt. Ja! Und es war gut, dass ihr
Frederick auf Vortex Outpost gelassen habt. Wusste Zed davon?«
»Nein«, antwortete Roderick rasch. »Er hat versucht, Sonja den
Fötus aus dem Leib zu saugen.«
Zeds mutierte Schnauze zog wie ein Schatten vor Sonjas geistigem Auge auf.
Angewidert schüttelte sich der Alte und schloss die Augen. »Dieser
Bastard. Damit hätte er mich in der Hand gehabt, für alle Zeit.«
Erschrocken sah er nun auf.
»Dich?«, flüsterte Sonja und wusste mit einem Mal, warum ihr
der alte Mann so vertraut war.
»Du bist Frederick? Unser Sohn?« Ihre Stimme wurde von Buchstabe zu
Buchstabe leiser, und als sie endete, fiel Sonja erschöpft in den Sessel
zurück. Sie schlug die Hände vor den Mund und schüttelte den
Kopf. Tränen liefen ihr über die Wange. »Du?«
Auch Roderick hatte es dem Anschein nach die Sprache verschlagen.
Die nun folgende Stille wurde nur durch das Ticken einer alten Uhr unterbrochen,
die sich in einem der Bilder befand.
4.
Als der alte Mann seinen Mund öffnete, um endlich eine Erklärung abzugeben,
krachte die Tür gegen die Wand und
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