Misterioso
hatten.
Hjelm aß ein exquisites, saftiges Boeuf Bourgignon mit ganzen, gebräunten, in Salbeibutter geschwenkten Kartoffeln, Holm ein ebenso saftiges Rindergulasch mit Oliven und knoblauchsattem Kartoffelgratin. Keiner von beiden machte sich Gedanken darüber, ob die Reichspolizeibehörde die zwei Flaschen gehaltvollen, körperreichen Domaine du Vieux Lazaret übernehmen würde.
Am Anfang kreiste ihr Gespräch noch hauptsächlich um die Arbeit. Um Daggfeldt, Strand-Julén und Carlberger. Um Anna-Clara Hummelstrands Art. Um die wenig trauernde Verwandtschaft. Sie überlegten sich Alternativen für den nichtssagenden Namen »A-Gruppe«. Angriffstruppe. Antipathetiker. Danach sprachen sie lange über Norlanders Alleingang in Tallinn, nicht ohne gewissen Galgenhumor, was den am Boden festgenagelten Helden betraf. Sie sprachen über den beigelegten Konflikt zwischen Norlander und Söderstedt, über den Fleischberg Nyberg als Mr. Sweden und Kirchenchorsänger, über den computerbesessenen und qualifizierten Jazzbassisten Chavez und Hultin, den spröden Ermittlungsleiter und hartgesottenen Verteidiger der Veteranenmannschaft der Stockholmer Polizei. Und sie überlegten, was Arto Söderstedt in Finnland passiert sein mochte.
Schließlich wagten sie es, ein wenig persönlicher zu werden. Kerstin erzählte von ihrer Leidenschaft für Musik. Paul erzählte von seinen Kindern; um das Thema Cilla machte er allerdings einen großen Bogen.
Er erzählte von Dritero Frakulla, von dem Geiseldrama und der Verhandlung, von Grundström und der Abteilung für Interne Ermittlungen und sagte völlig unvermittelt: »Was meintest du eigentlich damit, als du mich neulich gefragt hast, ob ich glücklich verheiratet bin? Also, richtig glücklich, wie du es ausgedrückt hast?«
Ihre pechschwarzen Augen sahen ihn über den Rand des Weinglases hinweg unverwandt an. »Ich hatte das Gefühl, dass du das nicht warst.«
»Ich dachte immer, ich wäre es. Einigermaßen jedenfalls.«
»Du hast irgendwas auf die Arbeit, die Ermittlungen projiziert, was dort nichts zu suchen hatte. Ich hätte nicht sagen können, was genau. Das kann ich im übrigen immer noch nicht. Es war jedenfalls deutlicher als bei den anderen; darum hat es mich wohl interessiert. Es kam mir so vor, als würdest du in der Arbeit nach etwas ganz anderem suchen, als würdest du eigentlich gar nicht ermitteln. Vielleicht habe ich mich selbst in dir wiedererkannt...«
»Mir ist gar nicht aufgefallen, dass du mich so eingehend beobachtet hast.«
Sie lächelte unbestimmt. »Ich beobachte jeden Menschen, mit dem ich zu tun habe, so eingehend. Vielleicht ist das der typische Polizistinnenblick. Nimm es nicht persönlich.«
»Vielleicht möchte ich das aber?«
Sie beugte sich über den Tisch. »Vergiss nicht, dass du im Augenblick ein bisschen durcheinander bist. Dir wird der Boden unter den Füßen weggezogen. Ich will kein ... Ersatz sein.«
Er lehnte sich zurück und inhalierte Zigarettenrauch, kippte den letzten Schluck Wein herunter und starrte an die Decke und durch sie hindurch.
Als sie durch die laue Mainacht zum Östra Hamnkanalen schlenderten, legten sie, ohne weiter darüber nachzudenken, einer den Arm um den anderen. Sie alberten herum und lachten.
»Hast du es gemacht?« fragte er in die entspannte Stimmung hinein.
»Was soll ich gemacht haben?«
»Das, was Anna-Clara Hummelstrand dir im Zusammenhang mit dem olivbraunen gallischen Organ unterstellt hat?«
Sah er Enttäuschung in ihrem Blick?
Es durchrieselte ihn kalt.
Aber sie antwortete, ohne ihn loszulassen.
»Wenn ich erst anfange, zu den erotischen Phantasien schwedischer Millionärsgattinnen zu masturbieren, dann weiß ich, dass es schlimm um mich steht.«
Lachend schlenderten sie weiter in die Norra Vallgatan. Aber statt gleich ins Hotel zu gehen, machten sie noch einen kurzen Abstecher zum Kanal hinunter. Nachdem sie lange ins schmuddelige Wasser geguckt hatten, kehrten sie um, ließen sich ihre Zimmerschlüssel geben und gingen hinauf in den zweiten Stock. Ihre Zimmer lagen direkt nebeneinander. Sie blieben noch ein wenig auf dem Flur stehen und unterhielten sich flüsternd, so als könnten sie sich nicht trennen. Schließlich schob Kerstin Holm den Schlüssel ins Schloss.
»Es ist besser so.« Sie hauchte ihm einen Luftkuss zu und ließ ihn einsam mit seinen Geistern zurück.
Die Erinnyen, dachte er benebelt, als er sein stockdunkles Zimmer betrat, das heimische Gemütlichkeit zu imitieren versuchte.
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