Misterioso
Stockholm mit den Gedanken ganz woanders war, befand er sich definitiv in seinem Element.
»Malinen, Jari, geboren am 13.6.52. Sieh einer an, da haben wir einen Vorfall: Schmuggel. Wollen wir doch mal schauen. 1979, in Vasa, Finnland. Verurteilt wegen Warenschmuggels. Ich schau mal, ob ich noch mehr Details rausbekomme.«
»Große Klasse«, sagte Hjelm.
»Da haben wir doch etwas, das wie ein Verhandlungsprotokoll aussieht. Malinen wurde am zwölften Februar 1979 verurteilt, zusammen mit einem gewissen Vladimir Ragin: Alkoholschmuggel aus dem damaligen Leningrad. Beide bekamen achtzehn Monate offenen Vollzug. Malinen ist nach zwölf Monaten entlassen worden, Ragin musste die volle Zeit absitzen. Danach folgt nur noch die Liste der Anwesenden. Richter: K. Lahtinen, Schöffen: L. Hälminen, R. Lindfors, B. Palo, Verteidiger: A. Söderstedt, Staatsanwalt: N. Niskanpää, H. Viiljanen, Zeugen der Verteidigung: ...«
»Wie bitte?« sagte Hjelm, der plötzlich hellwach war. »Wie hieß der Verteidiger?«
»A. Söderstedt«, wiederholte Zorn.
»Können Sie mehr über ihn herausbekommen?«
»Vielleicht werden wir ja im Register der Anwaltskammer fündig«, sagte Zorn. Er erinnerte an einen vierzehnjährigen Hacker, der soeben den Code des Pentagon geknackt hat.
Erneut gespanntes Warten. Dann das erlösende Pling.
»Arto Söderstedt, 12.1.53, Jurastudium an der Universität Abo 1972 bis ‘75, eine normalerweise fünf Jahre dauernde Ausbildung in drei Jahren absolviert, nicht schlecht. Unmittelbar nach dem Examen 1975, mit 22 Jahren, in Vasas renommiertester Anwaltskanzlei Koivonen & Krantz eingestiegen. Mit 27 Jahren Teilhaber der Kanzlei. 1980 hieß die Kanzlei dann sogar ein paar Monate lang Koivonen, Krantz & Söderstedt, Ende 1980 allerdings wieder Koivonen & Krantz. Nach 1980 taucht Söderstedt in keinem Anwaltsregister mehr auf.«
Hjelm lachte ausgiebig. Wie klein der Norden doch war!
Zorn musterte ihn skeptisch. War dieser Mann tatsächlich, wofür er sich ausgab? Der Held von Hallunda? Der große Ermittler in Sachen Machtmorde?
»Okay«, sagte Hjelm. Genau das hatte er für heute gebraucht. »Ich werde Sie unseren Chefs empfehlen. Sie haben wirklich ein Händchen für Computer. Ich bin Ihnen sehr dankbar.«
Kriminalinspektor Jonas Zorn stand am Fenster und verfolgte, wie Hjelm erneut Kurs auf das Hackat und Malet nahm. Er strahlte förmlich vor unverwirklichten Ambitionen.
In einem Schaufenster in der Fußgängerzone, die quer durchs Zentrum von Växjö führte, hing ein Spiegel. Hjelm blieb stehen. Der rote, schuppende Pickel war noch größer geworden. Inzwischen bedeckte er fast die ganze Wange. Hjelm fand, dass er wie ein Fragezeichen aussah.
Das Hackat und Malet hatte geschlossen, aber Roger Hackzell stand hinter der Theke und polierte die Gläser, wie es sich für einen ordentlichen Barkeeper gehörte. Hjelm klopfte leise an die Scheibe. Hackzeil schien zu Eis zu erstarren, nur mit Mühe gelang es ihm, zur Tür zu schlittern und aufzuschließen.
»Einen doppelten Wodka bitte«, sagte Hjelm und trat ein.
Hackzeil starrte ihn entgeistert an, ging dann aber hinter die Theke und schenkte ihm zum zweiten Mal an diesem Tag etwas aus der Absolut-Flasche in ein Wasserglas. Hjelm schnupperte an der klaren Flüssigkeit.
»Nein«, sagte er. »Das ist kein Absolut-Wodka von Vin & Sprit. Ich tippe, dass das verlängerter sechzigprozentiger Estonia aus der Fabrik Liviko in Estland ist.«
Hackzell entgleisten die Gesichtzüge, als Hjelm zum vernichtenden Schlag ausholte.
»Sie sind nicht vorbestraft und im großen und ganzen wahrscheinlich soweit sauber. Darum reagieren Sie auch so heftig. Malinen mit seinem Sündenregister wäre wahrscheinlich viel cooler gewesen. Ich habe es weder auf Sie noch auf Malinen abgesehen. Antworten Sie einfach auf meine Fragen, wenn Sie die Lizenz für Ihren Laden behalten und nicht in den Knast wandern wollen. Denken Sie gründlich nach, ehe Sie antworten, denn wie Sie mitbekommen haben, weiß ich mehr, als Sie dachten, und wenn mir bei dem, was Sie sagen, auch nur die kleinste Lüge unterkommen sollte, verhafte ich Sie und nehme Sie zu einem ordentlichen Verhör mit nach Stockholm. Ist das klar?«
Hackzell nickte stumm.
»Woher kommt der Wodka?«
»Von Lieferanten, die ab und zu hier vorbeischauen. Russen. Sie nennen sich Igor und Igor.«
Eine eigentümliche Ruhe machte sich in Hjelm breit. Er hatte einen Treffer gelandet.
»Was wissen Sie sonst noch über die
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