Mit 14 glaubt man an die Freundschaft
um den Hals. Petra stand da wie eine
Holzpuppe, völlig erstarrt und unbeweglich, aber ihre Mutter schien es nicht zu
bemerken. Sie sprach ohne Unterbrechung weiter.
„Schätzchen,
wie schön, daß ich dich wiederhabe, du siehst ja prächtig aus! Ach, es war
schrecklich ohne dich, aber nun... Hast du die große Neuigkeit schon erzählt?“
„Nein“,
sagte Petra knapp.
„Nicht?
Das verstehe ich nicht! Stellen sie sich vor, Petra hat eine Hauptrolle
bekommen! Sie soll die kleine Sandy Price synchronisieren - in einer
Fernsehserie mit sechsundzwanzig Folgen! Übermorgen beginnen die Aufnahmen,
deshalb bin ich gleich losgefahren, um meinen Schatz abzuholen. Wie schön, daß
sie sich bei Ihnen so gut erholt hat, da kann sie gleich mit frischen Kräften
an die Arbeit gehen!“
Frau
Christiansen redete wie ein Maschinengewehr, aber Katja, Tante Ulla, Stefan und
Onkel Nikolas starrten nur auf Petra, die schneeweiß und mit zusammengepreßten Lippen neben ihrer Mutter stand.
„Na,
freust du dich denn gar nicht?“
„Doch,
natürlich, Mama“, Petra zwang sich zu einem gequälten Lächeln.
„Das
Lampenfieber, na, das kann ich verstehen, das kenne ich aus eigener Erfahrung.
Aber keine Sorge, die Aufnahmen schüttelst du dir doch aus dem Ärmel.“
Tante
Ulla rettete die Situation, indem sie Frau Christiansen am Arm nahm und
beiseite zog.
„Liebe
Frau Christiansen, Sie müssen ja vollkommen erschöpft sein! Sie sollten erst
einmal eine Kleinigkeit essen. Mathilde ist gerade dabei, etwas für Sie
herzurichten. Darf ich Ihnen inzwischen Ihr Zimmer zeigen?“
„Sehr
lieb, ja! Ich bin so neugierig auf Ihr Haus, Petra hat in ihren Briefen so
davon geschwärmt?“
„Wann
fahren wir, Mama?“ Petras Stimme klang schneidend.
„Gleich
morgen früh, mein Schatz.“
„Gut“,
sagte Petra mit erzwungener Leichtigkeit. “Dann gehe ich jetzt nach oben und
packe.“
Als
Katja zwanzig Minuten später nach oben ging, war Petra verschwunden.
„He, wo
steckst du? Deine Mutter fragt nach dir - ich soll dich runterholen. Du kannst
später fertig packen.“ Katja schaute in den Duschraum, aber auch dort war die
Freundin nicht. Der Koffer lag unberührt auf dem Schrank, aber Petras
Handtasche, ihr kleiner Rucksack, den sie bei Wanderungen benutzt hatte, und
ein paar ihrer Sachen fehlten. Der Schrank war eilig durchwühlt worden, und von
dem Briefblock auf dem Schreibtisch war eine halbe Seite abgerissen.
Einer
Ahnung folgend, schlug Katja ihre Bettdecke zurück. Tatsächlich - dort lag ein
zusammengefalteter Zettel! Katjas Hände zitterten, als sie ihn ans Licht hielt
und las:
Liebe
Katja -jetzt kannst Du beweisen, daß Du wirklich meine Freundin bist! Ich kann
mit meiner Mutter nicht mehr Zusammenleben, ich verlasse sie. Ich verstecke
mich heute nacht in den
Bergen und werde versuchen, mich irgendwie in den Süden durchzuschlagen. Ich
nehme Dein ganzes Geld mit, verzeih! Aber Du verstehst mich schon. Führe sie
auf eine falsche Spur! Verbrenne diesen Zettel sofort! Danke! Deine Petra
Katja stand wie erstarrt. Was sollte sie tun?
Die Erwachsenen benachrichtigen? Das kam nicht in Frage. Stefan? Der saß unten
bei den anderen, es wäre aufgefallen. Es blieb nur eines: Sie selbst mußte
sofort los, um Petra zu suchen und sie zum Reiterhof zurückzubringen!
Katja
kritzelte eine Nachricht für Stefan auf einen Zettel, schlich sich in sein
Zimmer und legte ihn auf den Nachttisch unter das kleine Foto von Petra, das
seit zwei Tagen dort lag. Auf Stefans Schreibtisch entdeckte sie eine Taschenlampe,
die kam ihr jetzt gerade recht.
Katja
lief nach unten, rief durch den Türspalt: „Petra kommt sofort, sie ist nur noch
mal zum Stall hinübergegangen“, und rannte nach draußen.
Sie
glaubte zu wissen, welche Richtung die Freundin eingeschlagen hatte. Natürlich
konnte sie sich irren. Aber für einen Weg mußte sie sich entscheiden, und die
Wahrscheinlichkeit sprach dafür, daß Petra den Weg zu Stefans Lieblings-Alm und
zu der geheimnisvollen Höhle eingeschlagen hatte, in der sie sich - wenn auch
unter Lebensgefahr - verstecken konnte.
Das
erste Stück lief Katja, ohne die Taschenlampe zu benutzen. Sobald die Augen
sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, ging es ganz gut. Bald wurde der Weg
steiler, und immer öfter stolperte sie über Steine und
Wurzeln.
Mit der Taschenlampe ging es besser, aber der Atem wurde ihr knapp, sie war
viel zu schnell gelaufen.
Petra
konnte doch unmöglich so einen großen Vorsprung
Weitere Kostenlose Bücher